Als Feuer auf Basel niederging wie ein Fruehlingsregen

Von Patrick Schlenker, Basel ©2021

März 1945. Grosse Teile Europas liegen in Schutt und Asche. Die Amerikaner haben gerade die Ruhr bei Linnich, Jülich und Dürenstanden überquert und stehen am Rhein. Im Elsass haben sie den Durchbruch fast geschafft. Die Briten kämpfen immer noch in Holland. Die Russen brechen nach erbitterten Kämpfen in Ungarn durch und stehen an der Grenze zu Österreich. Der zweite Weltkrieg ist in der Endphase.

Am Sonntag Morgen, den 4. März 1945, kehrt der Schrecken des Krieges in Form eines Bomberangriffes nach Basel zurück. Neben Basel wurde fast zeitgleich auch Zürich von US amerikanischen Bombern angegriffen. Trotz mehr als 500 Fliegeralarmen lebte man in Basel das Leben weiter und lies sich, mit Aussicht auf baldiges Kriegsende, an diesem schönen Sonntag nicht mehr so einfach in die Luftschutzunterkünfte scheuchen. Mit fatalen Folgen...

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Ausgebrannter 3. Klass Wagen der SBB auf einem Abstellgeleis des Wolfbahnhofes am 5. März 1945 - Fotograf Robert Lanz - koloriert Patrick Schlenker

Neutralitätsverletzungen

Die Neutralität von Staaten während eines Krieges existiert seit Jahrhunderten als rechtliches oder soziales Konzept. Eigentlich ist es ganz einfach und ein Ideal. Eine Nation erklärt der Welt, dass sie an keinem Krieg / Konflikt ausserhalb ihrer Grenzen teilnehmen will. Dazu kann und muss sie sich auf die Nachsicht der kriegführenden Parteien verlassen können, welche diese Absicht respektieren. Allzu oft wird diese Neutralität trotzdem einseitig von kriegführenden Nationen gebrochen. Die historischen Aufzeichnungen sind voll mit Verstössen gegen die Neutralität.

Die frühesten Verstösse gegen die Neutralität in der westlichen Welt waren religiöser Natur. Im Laufe der Kriegsgeschichte waren Verstösse gegen die Neutralität sowohl absichtlich, etwa um ein strategisches Ziel zu erreichen oder ein grösseres Unglück abzuwenden, als auch zufällig. Beabsichtigte Verstösse sind zum Beispiel die Überquerung britischer Soldaten der Royal Naval Division im Oktober 1914, welche nach dem Zusammenbruch der Verteidigung in Antwerpen der deutschen Gefangenschaft entkommen wollten, in dem sie sich ins neutrale Holland absetzten. Vorausgegangen war ein deutscher Angriff auf das neutrale Belgien.

Unbeabsichtigte Verletzungen der Neutralität eines Landes sind dabei weitaus häufiger. Während des 2. Weltkrieges blieben in Europa neben der Schweiz auch Irland, Portugal, Spanien und Schweden neutral und behielten diese Neutralität auch bei als der Konflikt sich auf dem ganzen Kontinent ausbreitete. Für die Schweiz, welche als einziges neutrales Land von den Kriegsparteien komplett umgeben war, bestand die grösste Gefährdung durch Grenzverletzungen.

Grenzverletzungen 1939-1945

Von 1939 bis 1945 wurden vom Fliegerbeobachtungs- und Meldedienst der Armee (FL.B.M.D) 6'501 Grenzverletzungen durch ausländische Flugzeuge dokumentiert. Davon konnten 604 den Alliierten und 881 den Achsenmächten zugeordnet werden. 5'016 Meldungen über fremde Flugzeuge im Schweizer Luftraum blieben ohne Identifizierung der Nationalität. 77 mal kam es im Verlaufe des Krieges zu Abwürfen von Bomben bei denen 84 Zivilisten getötet sowie 70 Personen schwer und 190 leicht verletzt wurden. Die Taktik der grossen Bomberangriffe auf deutsche Städte bei Tages-, und vor allem auch bei Nachteinsätzen, erhöhte das Risiko von Schäden oder Todesfällen erheblich, wenn britische oder amerikanische Flugzeuge Schweizer Städte für deutsches Gebiet hielten. Die eingeführte Verdunkelung auf Druck der Deutschen am 7. Dezember 1940 erhöhte die Gefahr um ein Vielfaches.

So bombardierte die RAF in der Nacht vom 16. auf den 17. Dezember 1940 Basel und Binningen. Dabei verloren 4 Menschen ihr Leben und es entstand grosser Sachschaden. Am 20. Dezember, vier Tage nach Basel, wurde Zürich bombardiert. Auch dort kam eine Person ums Leben. Die Britische Regierung zahlte 1942 über 2'000'000 Schweizer Franken an Entschädigung aus. Siehe Beitrag Bombenabwürfe über Basel und Binningen vom 16./17. Dezember 1940

Bombardierung von Schaffhausen und die Folgen

Mit dem Kriegseintritt der USA, und der daraus folgenden Stationierung der 8th US Air Force in England ab Mitte 1942, kam es vermehrt zu Grenzverletzungen der operierenden Bomber. Mit der Verschärfung des alliierten Luftkrieges gegen Deutschland nahm die Zahl der Grenzverletzungen auf Schweizer Territorium mehr und mehr zu.

Ab 1943 kam es zudem zu einer Häufung von Zwischenfällen, in denen US Piloten Schweizer Gebiet bombardierten. Am 1. April 1944 warf eine Formation von 50 B-24 Bombern 60 Tonnen Bomben auf die Stadt Schaffhausen. Vierzig Menschen wurden dabei getötet, fast 300 verletzt und die Stadt schwer beschädigt. Die Bomberpiloten und Bombenschützen hatten Schaffhausen fälschlicherweise als die 240 km nördlich liegende deutsche Stadt Ludwigshafen am Rhein gehalten. Die nachfolgende Untersuchung ergab, dass wie so oft schlechtes Wetter, starker Wind und die falsche Identifizierung verschiedener Geländemerkmale zum Fehler beigetragen hatten.

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Schaffhausen am 1. April 1944 - Fotos aus dem Tagebuch von Gertrud Löw-Allemann 1939-1945

Weitere Gründe für andere Abwürfe über der Schweiz waren fehlerhafte Ausrüstung, Inkompetenz oder übermässiger Piloten-Eifer und nicht etwa Bosheit oder gezielte Planung, wie dies immer wieder spekuliert wurde.

Die Verlegenheit der Vereinigten Staaten nach Angriffen auf das Schweizer Hoheitsgebiet war beträchtlich. Es gab in der Folge grosse Bemühungen von Diplomaten und Generälen die Angelegenheit in Ordnung zu bringen.

Am Tag nach dem Angriff auf Schaffhausen erkundigte sich der Schweizer Gesandte in Washington, Minister Brugmann, beim US State Department, ob es amtliche Informationen gäbe. Mehr als jenes, was er auch schon aus den US Medien erhalten hatte, bekam er nicht zu hören. Am gleichen Tag erfolgte eine offizielle Stellungnahme durch den Sprecher des Weissen Hauses, Stephan Farln, in der er versprach, so rasch als möglich eine offizielle Stellungnahme zu veröffentlichen, wie auch eine offizielle Entschuldigung.

Ein amerikanischer Bomber-Kommandant gab tags darauf der United Press eine Erklärung ab. “Wir wurden einfach durch den Wind von unserem Kurs abgetrieben, da die Windgeschwindigkeit höher war, als erwartet. Der Kommandant der Bombergruppe hatte keine Ahnung dass die Bomben auf Schweizer Gebiet abgeworfen wurden.“ Ganz so einfach war das jedoch nicht, da die verschiedenen militärischen Behörden unterschiedliche Ziele verfolgten. Die Verhandlungen wurden besonders durch den Konflikt zwischen der amerikanischen Anerkennung der Nützlichkeit der Schweiz als Abhörposten und der Verärgerung über ihre wirtschaftliche Hilfe für Deutschland beeinflusst. Andererseits bestand ein Spannungsverhältnis zwischen der Aggressivität einzelner Piloten und ihren Anweisungen zur Wahrung der Schweizer Neutralität.

Neutralitätsschutz

Als Folge der vielen Grenzverletzungen führten die Schweizer zunehmend strengere Verfahren im Lauftraum ein. Die alliierten Kriegsministerien wurden darüber informiert, dass einzelne Flugzeuge, die den Schweizer Luftraum verletzen, mit grünen Fackeln und dem Absenken des Fahrwerks den Schweizer Jägerpiloten ihre Bereitschaft symbolisierten, in der Schweiz zu landen. Ausländische Militärflugzeuge in Formationen von zwei oder mehr würden jedoch ohne Vorwarnung von Schweizer Fliegerstaffeln angegriffen.

Die Schweizer Flab hatte schon zuvor auf Formationen von Flugzeugen reagiert. So schoss das am 1. Oktober 1943 bei Bad Ragaz stationierte Flab Det 21 die B-17 „Sugar Foot“ ab, welche daraus folgend brennend abstürzte. Nur drei der zehn Mann starken Besatzung überlebten.

Verhandlungen

Während dieser schwierigen Zeit wurden die Vereinigten Staaten durch ihren erfahrenen Minister Leland Harrison, den Militärattache Brigadier General Barnwell R. Legge und den Berater der Gesandtschaft, Jerome K. Huddle, in der Schweiz vertreten. Es war für die US Beamten wichtig so gut wie möglich aufgenommen zu werden und Zugang zu möglichst vielen hochrangigen politischen und militärischen Personen gewährt zu bekommen. Zudem war in der Zwischenzeit eine grosse Anzahl an US Piloten in der Schweiz interniert. Eine gute Behandlung dieser und eine rasche Rückführung war sehr wichtig für die US Gesandtschaft.

Eines der sensibelsten Themen bei den Verhandlungen war der Schweizer Handel mit den Achsenmächten und die Bereitschaft der Schweizer den Transitverkehr zwischen Italien und Deutschland über ihre Eisenbahnstrecken zuzulassen. Das Völkerrecht in dieser Angelegenheit war komplex, insbesondere da die neutrale Schweiz praktisch von der Achse umgeben war. Darum musste sie auch diskret vorgehen.

Pilotenfriedhof Münsingen Kranzniederlegung

US Delegation auf dem Friedhof in Münsingen - Foto aus dem Tagebuch von Gertrud Löw-Allemann 1939-1945

Als Minister Harrison von der Bombardierung von Schaffhausen erfuhr, besuchte er umgehend den Schweizer Aussenminister Marcel Pilet-Golaz um sein Mitgefühl und sein Bedauern auszudrücken. Der Schweizer Aussenminister äusserte seine Unfähigkeit, sich eine Erklärung für „einen anscheinend absichtlichen Angriff“ vorzustellen. Dennoch ordnete er an, dass Radio- und Presseankündigungen zurückgehalten werden sollten. Harrison selbst warnte sofort seine Vorgesetzten und machte Druck, dass wenn die Zuordnung der amerikanischen Flugzeuge verifiziert sei, müsste der Schweizer Regierung so schnell wie möglich eine ausführliche Erklärungen gegeben werden.

Die Frage des US Verschuldens wurde schnell gelöst. General Carl A. "Tooey" Spaatz, kommandierender General der strategischen Luftstreitkräfte im europäischen Einsatzgebiet, berichtete, dass zwei Bombergruppen an diesem Samstag Bombenangriffe im nördlichen Teil der Schweiz durchgeführt hatten. Der kommandierende General der Luftstreitkräfte der Armee, Henry H. "Hap" Arnold, beschloss das Aussenministerium die Hauptverantwortung für die Behandlung der Angelegenheit übernehmen zu lassen. Daraufhin erfolgte eine formelle Entschuldigung durch Spaatz, in Begleitung des US Botschafters in England zur Schweizer Gesandtschaft in London. In der Schweiz übermittelte Militärattache Brigadier General Legge der Schweiz das äusserste Bedauern und die Zusicherung über zukünftige Vorsichtsmassnahmen. Die formelle Erklärung des Bedauerns, welche Aussenministerin Cordell Hull am Montag veröffentlicht hatte, gab die volle Verantwortung zu und zeigte die Bereitschaft der amerikanischen Regierung, angemessene Schadensersatzansprüche zu leisten, soweit dies möglich war. In der Folge wurde der Kommandopilot der 392d Bomber Group inoffiziell gerügt. Mehr aber auch nicht.

Die guten Absichten wurden durch eine schlecht formulierte Mitteilung von General Spaatz’ Hauptquartier in London am darauffolgenden Sonntag zunichte gemacht. In dieser wurde erwähnt, dass Navigationsschwierigkeiten und schlechtes Wetter dazu geführt hatten, dass einige wenige Bomben versehentlich von den US Luftstreitkräften auf Schweizer Hoheitsgebiet fallengelassen wurden. Die bewusste Untertreibung der Menge an Bombern und das Ausmass des Angriffs auf das schlechten Wetter zu schieben, verärgerte die Schweizer Presse. Am selben Sonntag versendete Minister Harrison ein Telegramm in dem er warnte, dass "in der ganzen Schweiz ein natürliches Gefühl der Ressentiments und Empörung aus materiellen, moralischen und theoretischen Gründen herrscht, aber es ist noch zu früh, um seine Tiefe einzuschätzen oder seine Wirkung abzuschätzen." Harrison telegrafierte zurück, dass "die terrestrischen Wetterbedingungen im Gebiet Schaffhausen aussergewöhnlich klar und mit hervorragender Sicht gemeldet wurden."

In der Folgewoche schrieb die Gazette de Lausanne, dass die Entschuldigung für schlechtes Wetter wertlos sei und "wenn amerikanische Kommandeure es nicht besser wissen, als alles zu bombardieren ohne auch nur einen Schimmer von Geographie zu haben, ist es an der Zeit, sie durch andere zu ersetzen." Ähnlich verärgert kommentierte die Basler Nationalzeitung die Veröffentlichung über den Wetterkommentar und behauptete, Schaffhausen sei vorsätzlich angegriffen worden. "Wir übertreiben nicht, wenn wir diese Handlung als Kriegsverbrechen, mit der Zerstörung von unersetzlichem Leben, einzigartigen Kulturgütern und viel wertvollem Eigentum charakterisieren." Der halboffizielle Berner Bund war zurückhaltender und veröffentlichte eine Überschrift mit dem Titel "Bleib bei der Wahrheit, bitte!" Aber die Redakteure stellten nicht in Frage, dass der Überfall ein Fehler war. Sie forderten die Schweiz auf, sich künftig nicht mehr nur auf Proteste zu verlassen, sondern auf konkreten Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit zu bestehen.

Erste Reparationszahlungen

Minister Harrison verlor deshalb wenig Zeit und wies zur Klärung Marshall und Hull an die Schweizer Behörden um Daten über den vollen Betrag von Personen- und Sachschäden zu bitten, damit die Vereinigten Staaten so rasch als möglich Wiedergutmachungen leisten konnten. Insbesondere das Kriegsministerium war der Ansicht, dass "diese sofortige Aktion ... ohne um die Ansprüche zu feilschen ... zu unserem Vorteil wieder hergestellt wird". Nur einen Tag später gab Hull 1 Million US Dollar an Minister Harrison frei, um sie sofort der Schweizer Regierung zur Verfügung zu stellen. Für die Auszahlung war keine besondere Buchführung erforderlich, und die Schweizer sollten wissen, dass zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen würden, sollten die Gesamtkosten des Schadens die 1 Million Dollar übersteigen.

Auf die anfänglich überwiesenen 1 Million US Dollar folgten im Oktober 1944 weitere 3 Millionen. Der Bitte der Schweizer Regierung, einer Erklärung des Vorfalles nachzukommen wurde entsprochen. Die Untersuchungen ergaben, dass das Wetter über Schaffhausen weniger das Problem war, sondern jenes über Frankreich. Zudem hatten unerwartete Winde aus dem Nordwesten die Bomberformation weit zerstreut. Die drei Städte Strassburg, Pforzheim und Schaffhausen waren jeweils mit dem Hauptziel von Ludwigshafen am Rhein verwechselt worden. Durch den starken Wind war eine Geschwindigkeit von 160 Meilen gemessen worden, jedoch flogen die Bomber effektiv rund 100 Meilen schneller. Eine Wolkenlücke über der Stadt Schaffhausen gab dem Bombenschützen zwar Zeit, die grosse Stadt am Ostufer des Rheins zu erkennen, aber nicht genug Zeit, Anhand der Zielvorgaben wie Butanfabrik oder Treibstofftanks zu überprüfen, ob es sich auch wirklich um Ludwigshafen handelte.

Rettungsinsel Schweiz

In den darauffolgenden Monaten kam es trotz angekündigter Vorsichtsmassnahmen der US Air Force zu weiteren Vorfällen. Zwar waren die Bombenschäden gering, aber es gab von alliierter Seite zunehmend Verstösse, indem zum Teil ganze Verbände durch den Schweizer Luftraum operierten. Die Schweizer Luftwaffe ergriff aus diesem Grund weitere Massnahmen in Bezug auf einzelne Flugzeuge, denn im grossen Verband konnten die Schweizer Jäger kaum etwas ausrichten. Die meisten einzelnen einfliegenden Bomber hatten technische Probleme durch Feindbeschuss oder Treibstoffmangel. Mehrfach kam es jedoch vor, dass US Bomber von Schweizer Jägern, trotz der Abmachung mit Signalfackeln und ausgefahrenem Fahrwerk zu antworten, abgeschossen wurden. Ende Mai verurteilte Hull unter Anstoss des Kriegsministeriums einen Schweizer Angriff vom 24. April 1944. Dabei schossen drei Me109 der Schweizer Luftwaffe die einzeln einfliegende B-17 „Little Chub“ der 384th Bomb Group, 545th Squadron ab, welche wegen technischer Probleme durch deutschen Jägerbeschuss über Stuttgart in die Schweiz flüchtete und dort in Dübendorf landen wollte. Da sie eine Bauchlandung vollziehen sollten, versuchten sie den Kugelturm im Rumpf anzuwerfen. Diese klemmte jedoch. Als der Pilot über dem Zürichsee eine Wende flog, da die Besatzung für eine Landung noch nicht bereit war, wurde das von den Schweizern als Fluchtversuch gewertet und sie eröffneten das Feuer. Teile der Besatzung sprangen aus dem brennenden Bomber ab. Bei einem Besatzungsmitglied öffnete sich der Fallschirm nicht und Fünf weitere starben beim folgenden Absturz in den Greifensee.

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B-17 „Little Chub“ der 384th Bomb Group, 545th Squadron - Links: Rauchschwaden nach dem Absturz. Eines der Triebwerke hatte sich vom Flügel gelöst und ist auf einem Acker gelandet. Der Rest des Bombers stürzte in den Greifensee. - Rechts: Die „Little Chub“ nach der Bergung 1953. Fotoquelle B-17 Museum Utzenstorf https://www.b17museum.ch

Die Vorfälle wurden von Seiten der Schweiz nicht bestritten. Die US Streitkräfte stritten sich lediglich um die Anzahl der Flugzeuge, die tatsächlich von Schweizer Jagdfliegern zu den Landefeldern eskortiert oder zur Landung gezwungen wurden.

Im darauffolgenden Juli 1944 landeten 37 B-17 und B-24 Bomber auf Schweizer Gebiet. Im August waren es 4 und 11 im September (darunter zwei britische Mosquito Jagdbomber). Die grosse Anzahl an operierenden Bombern im Grenzraum zur Schweiz machte es offensichtlich unmöglich zu hoffen, dass es nicht zu gelegentlichen Verstössen kam. Die Grenzverletzungen gingen weiter und das hatte einen guten Grund. Die Piloten wollten mit ihren beschädigten Flugzeugen eher in der Schweiz landen, als in besetzten Gebieten.

Zwischenfälle

In den folgenden Monaten kam es zu weiteren Zwischenfällen, wie auch Bombenabwürfen. Einige wenige sind folgend erwähnt.

Über Affoltern kam es am 5. September 1944 zu einem Zwischenfall mit einer Schweizer Me109 Patrouille welche eine B-17 nach Dübendorf eskortierte. Wegen eines Missverständnisses hielten zwei P-51 Jäger die Schweizer Me109 für Deutsche und griffen überraschend aus überhöhter Position an. Ein Schweizer Jäger stürzte darauffolgend ab und die zweite Maschine konnte sich nach Dübendorf retten. Der Pilot der abgestürzten Me109 verlor dabei sein Leben.

Am 8. September wurden in Delsberg, am 9. September in Weiach und am 11. des selben Monats in Pratteln und Montignez Eisenbahnanlagen mit Bordwaffen von US-Jägern beschossen.

Am 10. September bekämpften sich in einem Luftkampf in der Gegend von Les Rangiers amerikanische P-51 Jäger und eine Schweizer C-36. Der Luftkampf endete beidseitig ohne Verluste.

Weihnachten, Montag 25. Dezember 1944 - Kurz nach 12 Uhr schoss die Flab im Kanton Aargau die viermotorige B-24 Liberator „Maiden America“ der 450th Bombardment Group der 15th US Army Air Force ab. Drei Besatzungsmitglieder starben. Um kurz nach 14 Uhr wird Thayngen bombardiert. Dabei wurden Bahnanlagen und die Ziegelei stark beschädigt, resp. zerstört. Ebenfalls beschädigt wurde die Knorr Fabrik. Ein Toter und drei Verletzte waren zu beklagen.

22. Februar 1945 - An diesem Tag kam es zu einer ganzen Fülle an Bombardierungen auf Schweizer Gebiete.

Um 12.35 Uhr entlud eine B-17 über Stein-am-Rhein seine zwölf 250kg Bomben. Dabei starben vier Frauen und fünf Kinder. Zu den neun Toten beklagte man 33 Verletzte und 54 Obdachlose. Insgesamt wurden sechs Wohnhäusern zerstört und weitere 32 Gebäude beschädigt.

Bomben Stein am Rhein zerstörtes Haus an der SchiffländeBomben Stein am Rhein Beerdigung der Opfer

Zerstörte Gebäude in Stein am Rhein - Beerdigung der Opfer der Bombardierung vom 22. Februar 1945 - Fotos aus dem Tagebuch von Gertrud Löw-Allemann 1939-1945

In Rafz, im Kanton Zürich starben die Angehörigen der Familie Sigrist, als eine der sechs abgeworfenen Bomben ihr Haus trifft und komplett zerstört Der US Bomber wurde von der Schweizer Flab beschossen und ging in der Folge zum Angriff über. Für Vater, Mutter, ihre fünf Kindern, sowie die auf Besuch weilende Schwester kam jede Hilfe zu spät. Es mussten weiter zwei Blindgänger entschärft werden.

In Niederdorf, Kanton Basellandschaft, schlugen nordöstlich des Dorfes 10 Bomben ein. Eine Frau wurde dabei leicht verletzt und es entstand Sach- und Kulturschaden.

In der Nähe von Lohn bei Schaffhausen beschossen US Flieger den Bahnhof mit Bordwaffen. Auf dem Renath wurde ein Fliegerbeobachtungsposten beschossen, bei dem ein Soldat verletzt wurde.

Weitere Abwürfe gab es in Neuhausen. Dort fielen die meisten Bomben in einen nahegelegenen Wald. Eine Bombe schlug neben einem Sechsfamilienhaus an der Sägereistrasse ein und riss die Seitenwand weg. Im Gebäude wurden drei Personen verletzt und in der nahgelegenen Fabrik erlitt ein Arbeiter einen Herzstillstand und verstarb an Ort und Stelle. Das Gebäude stürzte im Laufe des Abends ein.

Auch in Jägerwilen (Thurgau), Igis und Zizers (Rheintal) und im Valsertal gab es Abwürfe. Beim Abwurf im Valsertal wurde eine Person getötet und mehrere verletzt. Überall entstand Sach- und Kulturschaden.

Medien

Die Basler Nachrichten vom 23. Februar 1945 stellte in ihrem Artikel „Leid und Schrecken“ fest. „Man kann zugestehen, dass im Gegensatz zum schweren Angriff auf Schaffhausen vor ungefähr Jahresfrist, die gestrigen Verletzungen bei nebligem Wetter erfolgt sind. Dass sie aber ungefähr im gleichen Raum erfolgten wie die Bombardierung von Schaffhausen, zeigt wie unverblümt die amerikanische Luftwaffe von jener schweren, durch sie verschuldeten Verletzung geblieben ist. Überhaupt: Seit ungefähr 14 Tagen häufen sich die Luftraumverletzungen von Seiten der Alliierten, wie selten zuvor. Man hat gelegentlich den Eindruck, die alliierten Luftwaffenkommandanten seien der Meinung, die freundschaftliche Atmosphäre der Berner Verhandlungen schliesse neue, grobe Missachtungen unserer Souveränität, wie wir sie und seit zwei Wochen bieten lassen müssen, stillschweigend in sich. Sie täuschen sich.“

Am 25. Februar gab der Unterstaatssekretär der USA in Washington bekannt, dass die amerikanischen Militärbehörden eine genaue Untersuchung zur Feststellung der Verantwortung für die Bombardierung Schweizer Ortschaften vom 22. Februar führen werden. Gleichzeitig brachte man tiefstes Beileid der Familien der Opfer zum Ausdruck. Gleichzeitig würde man natürlich auch für den entstanden Schaden aufkommen, sollte dieser dann auch von den USA stammen.

In der Zwischenzeit hatte der Schweizer Bundesrat am 9. Februar 1945 weitere Kohletransporte von Deutschland nach Norditalien verboten.


Am 4. März sah der Operationsplan der 8th US Air Force "Mighty Eight" wie folgt aus:

Mission 863:

Insgesamt werden 1'028 Bomber und 522 Jäger Zielen in besetzen Gebieten und Deutschland geschickt. Das im Südwesten Deutschlands herschende schlechte Wetter verursacht mehr als 300 Angriffs-Abbrüche. Eine B-24 und eine P-51 gehen verloren.

1st Air Divison
373 B-17 Flying Fortress - 156 P-51 Mustang

Ziele:
Flugzeugflugzeugwerk in Schwabmünchen geschickt - (69)
Militärfahrzeugfabrik, Waffenlager (223) und Rangierbahnhof in Ulm (59)
Ausweichziel Reutlingen wird durch 12 Bomber getroffen. 

Verluste
3 Besatzungsmitgieder werden verwundet (WIA).
11 B-17 sind beschädigt, zwei davon irreparabel. 
Eine P-51 ist irreparabel beschädigt.


2nd Air Divison
274 B-24 Liberator - 139 P-47 Thunderbolt und P-51 Mustang

Ziele:
Aschaffenburg (18)
Tuttlingen (11)
Astadtaach (10)
Pforzheim (8)
Rangierbahnhof Stuttgart (11)
Stuttgart (50)
Bahnhof Donaueschingen (10) und anderen (36)
Giebelstadt (0)

Verluste:
8 Besatzungsmitglieder sind gefallen (KIA).
Eine B-24 angestürzt und 19 wurden beschädigt.


3rd Air Divison
376 B-17 Flying Fortress - 186 P-51 Mustang

Ziele:
Wegen schlechtem Wetter können viele Ziele nicht angeflogen werden. Sekundärziele sind die Rangierbahnhöfe in Ingolstadt (69) und Ulm (75)

Verluste:
17 Besatzungsmitglieder sind gefallen (KIA).
Eine P-51 stürtzt ab (Pilot MIA) und eine irreparabel beschädigt.


4th Air Division
Fünf B-17 fliegen eine Scouting-Mission.


5th Air Division
22 P-51 fliegen eine Scouting-Mission.


Für den Luftkrieg von England aus setzte die USAAF die 8th Air Force ein. Bei Kriegsende wurden neben einer grossen Anzahl an B-17 Flying Forttress Bombern in der 1st und 3rd Air Division auch 21 Gruppen mit B-24 Liberator Bombern, zusammengefasst in drei Bombardment Divisionen, in der 2nd Air Division eingesetzt.

Consolidated B-24 1940's -- Consolidated B-24's over Friedrichshaven, Germany. The B-24 was employed in operations in every combat theater during World War II. (U.S. Air Force photo

Consolidated B-24J über Friedrichshafen.  Bildquelle U.S. Air Force Photo 

Die Consolidated B-24 Liberator war ein amerikanischer schwerer Bomber, welcher von Consolidated Aircraft in San Diego, Kalifornien, entworfen wurde. Es war innerhalb des Unternehmens als Modell 32 bekannt. Die B-24 entstand 1938 aus einem Antrag des United States Army Air Corps (USAAC) an Consolidated die B-17 Flying Fortress in Lizenz herzustellen. Nachdem die Geschäftsleitung des Unternehmens, darunter Präsident Reuben Fleet, das Boeing-Werk in Seattle, Washington, besucht hatten, entschied sich Consolidated stattdessen für ein eigenes moderneres Design.

Die ersten B-24 wurden Mitte 1941 an die US Air Force ausgeliefert. Zu Beginn war die B-24 ein modernes und hocheffizientes Flugzeug mit Davis-Flügeln und hohem Seitenverhältnis. Der Flügel gab dem Bomber eine hohe Reisegeschwindigkeit, grosse Reichweite und die Fähigkeit eine schwere Bombenlast zu tragen. Im Vergleich zu seinen Zeitgenossen war die B-24 relativ schwer zu fliegen und hatte eine schlechte Leistung bei niedrigen Geschwindigkeiten (unter 260 km/h). Es hatte auch eine niedrigere Decke und war weniger robust als die Boeing B-17 Flying Fortress. Zudem war es im Innern sehr laut und ohne genügend Schutz konnte man nach einem mehrstündigen Flug taub werden. Zudem leckten die meisten B-24, weshalb absolutes Rauchverbot an Bord galt und die Besatzungen mit leicht geöffnetem Bombenschacht flogen, um allfällige Gase abzuführen.

In der Kampfkonfiguration der 8th Air Force hatte der Bomber eine Nutzlast von 3600 kg. Mit einer maximalen Einsatz-Flughöhe von 7600 m (25.000 Fuss) operierte die B-24 rund drei- bis viertausend Fuss weniger hoch als eine B-17. Flog aber im gegensatz dazu rund 16-24 km/h schneller. Seine geringere Einsatzhöhe machte den Bomber anfälliger für die Flugabwehr. 

Mit rund 18’500 gebauten Einheiten - darunter 8.685 von der Ford Motor Company - hält die B-24 den Rekord als der weltweit am meisten produzierte Bomber, als schweren Bomber und als mehrmotoriges Flugzeuge der amerikanischen Geschichte.

Technische Daten:

Besatzung: 11 - Pilot, Copilot, Navigator, Bombenschütze, Funker, Nasenturm, oberer Turm, 2 Rumpfkanoniere, Kugelrevolver, Heckschütze
Länge: 20,47 m 
Spannweite: 34 m
Höhe: 5,372 m 
Flügelfläche: 97,4 m2
Leergewicht: 16.556 kg 
Bruttogewicht: 24.948 kg
Maximales Startgewicht: 29.484 kg
Höchstgeschwindigkeit: 478 km/h, 258 kn bei 7.600 m
Reisegeschwindigkeit: 346 km/h, 187 kn

Bewaffnung:
Waffen: Kaliber 10 × .50 (12,7 mm) M2 Browning-Maschinengewehre in 4 Türmen und zwei Rumpfpositionen


Bombenbeladungen:
Kurze Reichweite (640 km): 3.600 kg
Grosse Reichweite (1.300 km): 2.300 kg
Sehr grosse Reichweite (1.900 km): 1.200 kg


Briefing

In der Nacht des 3. auf den 4. März 1945, um 03.30 Uhr in der Früh, bereitete sich die Besatzungen auf die Umsetzung der Field Order 618 vor. Die Field Order 618 wies der 2nd AD verschiedene Ziele in Süddeutschland zu. Zwei Stunden zuvor waren die Offiziere geweckt worden und ihnen war mitgeteilt worden, dass die Vorbesprechung für die leitenden Besatzungen schon um 02.30 Uhr stattfinden würde. Die Hauptbesprechung erfolgte eine Stunde später. Im Gegensatz zu ihren Alliierten Waffenbrüdern, der RAF, flogen US amerikanische Bomberbesatzungen ausschliesslich Tagangriffe. Die RAF hatte schon kurz nach Kriegsbeginn auf Nachtangriffe umgestellt, nachdem ihre Bomberverbände bei Tagangriffen schwere Verluste hinnehmen mussten. Darin lag auch der Grund der US amerikanischen Flächenbombardemente. Bevor die Langstreckenjäger entwickelt und die Blindbombardierungstechnik durch Gee gelöst worden war, konnte die RAF keine Tagesangriffe ohne untragbare Verluste durchführen und war nicht imstande während der Nacht erfolgreiche Bombardierungen auf Punktziele zu fliegen.

B-24 Liberator Briefing

Briefing der Besatzungen vor dem Einsatz - Foto zvg. 382nd Bomb Group Annette Tison https://www.b24.net

Der größte Teil des Briefings war der Überprüfung der visuellen Identifizierungspunkte gewidmet, die während des Bombenangriffs erkennbar sein sollten. Zudem wurden Aufnahmen aus geringer und grosser Höhe des Zielgebiets gezeigt, um eine Identifizierung zu gewährleisten.

Es wurde gehofft, dass die Bomber das Ziel visuell bombardieren können. Wenn dies wegen schlechten Sicht nicht möglich wäre und Gee-H, die elektronische Bombenhilfe, verwendet werden könnte, würde das Ziel dasselbe bleiben. Sollte auch das Gee-H nicht funktionieren und nur H2X, ein Bodenscanning-Radarsystem, dann wäre das Ziel der Eisenbahnknotenpunkt Aschaffenburg. Wie alle Bahnhöfe in Süddeutschland waren diese permanent überlastet mit dem Transport von kriegswichtigen Güter. Innert 24 Stunden wurden täglich fast 2'500 Eisenbahnwaggons transportiert. Ihre Zerstörung würde die Kommunikation in der gesamten südlichen Region Deutschlands und an den Kampflinien behindern.

Der am Briefing teilnehmende Geheimdienstoffizier berichtete, dass entlang des Rheins leichter Schneefall zu erwarten sei. Die Besatzungen erwiderten diese Aussage mit langgezogenen Buhrufen.

Navigationshilfen

Das Gee / Gee-H war eine erstklassige Funknavigationshilfe, die seit Juni 1943 mit beachtlichem Erfolg eingesetzt wurde. Es befand sich im Bereich des Navigators. Die Position des Flugzeugs konnte durch starke Signale von etablierten Bodenstationen bestimmt werden, die auf einer Kathodenstrahlröhre angezeigt wurden. Die Reichweite von Gee war jedoch begrenzt da die Bodenstationen nur bis zur Frontlinie eingerichtet werden konnten. Im Laufe des Krieges hatten die Deutschen gelernt diese Funkübertragung zu stören.

Das Gee-H war eine verfeinerte Version des gleichen Systems. Damit sollte es möglich werden, durch Wolkendecken Ziele zu bombardieren. Das Gerät verfügte über einen eigenen Sender, der Signale von Bodenstationen auslösen konnte. Gee-H war jedoch schwierig und langsam bei der Bestimmung einer festen Position. Zudem konnte sein Signal durch anderen Bomber gestört werden, da die Bodenstationen nur eine begrenzte Anzahl von Signalen gleichzeitig verarbeiten konnten.

Der knifflig zu bedienende H2X befand sich in einem anderen Teil des Bombers, welches von einem speziell ausgebildeten Offizier bedient werden musste. Die bedienenden Offiziere des "Mickey", wie das H2X liebevoll genannt wurde, waren dazu verdammt, als sogenannte Mickey Man durch der Kriegs zu fliegen. Das H2X sendete einen Radarimpuls, der von Objekten auf der Erdoberfläche reflektiert und in einen "Ping" auf einem Kathodenstrahlfernrohr übersetzt wurde. Im besten Fall konnte eine Antenne eine Reichweite von über 50 Meilen haben und ein erfahrener Offizier hätte die Bilder mit einem angemessenen Mass an Genauigkeit interpretieren können. Das grosse Problem waren die unterschiedlichen Reflexionen der unterschiedlichen Unterlagen. Als Beispiel lieferte Wasser so gut wie keine Reflexion, während Stahl und Beton sehr gut reflektierte. Gebäude und Küstenabschnitte, wie auch Bahnhöfe, lieferten gute Ergebnisse. Hügel und Berge wiederum lieferten schwer einzuschätzende Resultate die sogar erfahrene Benutzer verwirren konnten. Das H2X war nützlich bei Bombenangriffen und Landungen, konnte aber auch den Navigator bei Positionskorrekturen unterstützen. Das H2X war am Morgen des 4. März 1945 nur bei 26 von 274 eingesetzten B-24 Bombern verbaut und nicht bei allen funktionstüchtig.

Sammelpunkt Paris

Nach dem Hauptbriefing folgte das Pilotenbriefing, welches sich vor allem auf das komplexe Verfahren der Zusammenführung aller Squadron konzentrierte. Da sich in der Grafschaft eine Vielzahl an Bombergruppen tummelten und das Zeitfester für die Starts begrenzt waren, bedurfte es sorgfältiger Planung des zeitlichen Ablaufs, um die vielen am Luftangriffen beteiligten Bomber zu starten und ihr Rendezvous östlich von Paris zu arrangieren. Es war das erste mal, dass versucht wurde auf dem Festland-Europa einen solch grossen Verband zusammen zu ziehen. Normalerweise geschah dies in der Nähe der Stützpunkte über England. Die richtige Zusammenstellung der Formationen war eine Notwendigkeit, um die Bomber mit ihrer eigenen begrenzten Bewaffnung auch ohne Begleitschutz auf weiten Strecken zu schützen.

Ein allein fliegender Bomber hatte kaum eine Überlebenschance. In Formation fliegend bestand zumindest die Chance, die anfliegenden feindlichen Jäger mit den Maschinengewehren in Schach zu halten. Ein weiterer Grund für das Fliegen in der richtigen Formation war der stetige Mangel an gut ausgebildeten und erfahrenen Besatzungen. Nach 25 Feinflügen wurde im Normalfall die Besatzung zurück in die USA beordert. Die besten und erfahrensten Piloten und Navigatoren erhielten daher die Verantwortung für die Ausbildungsleitung und flogen Flugzeuge, die zur leichteren Identifizierung speziell gekennzeichnet waren. Die Hauptaufgabe im Formationsflug der restlichen Besatzungen bestand darin ihre Position und eine enge Formation zu halten, Befehlen zu folgen und Ausschau nach feindlichen Jägern zu halten. Auf dem Weg zum Treffpunkt flog jede Gruppe einen eigenen Kurs und musste sich exakt an die vorgegebenen Zeiten halten um den Treffpunkt nicht zu verpassen.

466th Bomb Group

Die 784th, 785th, 786th und 787th Bombardment Squadron der 466nd Bomb Group, 2nd Air Divison mit ihren B-24 Liberator Bombern nahm ebenfalls an der Mission teil. Das Ziel der Mission #196 war der Fliegerhorst Kitzingen, östlich von Würzburg, von wo aus Teile des Kampfgeschwaders 54 mit Me262A operierten.

Im August 1943 wurde die Gruppe auf dem Alamogordo Army Air Field in New Mexico aufgestellt und in der Folge ab Ende August 1943 auf den B-24 auf dem Kearns Army Air Field in Utah ausgebildet. Die Bodencrews fuhren am 28. Februar 1944 mit der RMS Queen Mary von New York aus nach England. Die Bomber flogen die südliche Route und erreichte im März 1944 die RAF Attlebridge in der Grafschaft Norfolk in England. Dort wurden sie der 96th Combat Bombardment Wing zugeteilt.

Die 466nd Bomb Group flog am 22. März 1944 ihren ersten Einsatz auf Berlin. Die Gruppe griff in der Folge unter anderem die Rangierbahnhöfe in Lüttich und Saarbrücken, Flugplätze in St. Trond und Chartres, ein Reparatur- und Montagewerk in Reims, Fabriken in Braunschweig, Ölraffinerien in Bohlen, Flugzeugwerke in Kempten, Mineralwerke in Hamburg, ein synthetisches Ölwerk in Misburg ein Tanklager in Dülmen und eine Flugzeugmotorenfabrik in Eisenach an.

Während dem D-Day am 6. Juni 1944 flog die 466nd Bomb Group Angriffe auf Bunker und bombardierten Ziele hinter dem Brückenkopf. Während der Operation Cobra, dem Durchbruch der Alliierten in der Normandie im Juli 1944, bombardierten sie feindliche Stellungen in Saint-Lô. Sie griffen die deutschen Kommunikation und die deutschen Transportwege während der Ardennenoffensive von Dezember 1944 bis Januar 1945 an.

Die 466nd Bomb Group flog am 25. April 1945 ihre letzte Kampfmission und traf eine Transformatorstation in Traunstein. Während der Kampfhandlungen flog das 785th Bomb Squadron 55 Missionen hintereinander ohne Verlust. Die Gruppe flog 232 Kampfmissionen mit 5'762 Einsätzen und warf 12'914 Tonnen Bomben ab. Dabei verloren sie 47 B-24 Bomber.

Primär Ziel Aschaffenburg

In der Stadt Aschaffenburg, südöstlich von Frankfurt, wurden durch Fotoaufklärer der P.R.U. (Photo-Reconnaissance Unit) festgestellt, dass dort Anfang März etwa doppelt so viele Panzer und gepanzerte Fahrzeuge im Depot für Reparatur- und Überholungszwecke standen als gewöhnlich. Seit September 1940 wurde Aschaffenburg insgesamt schon 20 mal durch britische und US-amerikanische Bomber grösstenteils in Schutt und Asche gelegt. 70% aller Wohnhäuser wurden dabei zerstört oder beschädigt und Baudenkmäler wie die Stiftskirche, das Schloss oder das Pompejanum wurden schwer beschädigt.

Am 21. November 1944 erfolgte einer der schwersten Angriffe durch die Royal Air Force auf die Bahnanlagen des Aschaffenburger Hauptbahnhofes sowie auf die Oberstadt. Der Bahnhof blieb dabei fast vollständig unversehrt. Jedoch wurden im Stadtteil Damm 700 Wohngebäude völlig und ca. 2.500 Wohngebäude teilweise zerstört, was einer Verlustzahl von 80% entsprach. 20.000 Einwohner, und somit fast die Hälfte der Bevölkerung Aschaffenburgs zu der Zeit wurden obdachlos. Über 344 Menschen verloren ihr Leben und über 160 wurden verletzt. Die RAF hatte 14 Tonen Spreng- und Brandbomben abgeworfen.

Am 21. Januar 1945 erfolgte ein weiterer schwerer Angriff, bei dem 113 Menschen ihr Leben verloren und weitere 400 Wohngebäude völlig und 600 Wohngebäude teilweise zerstört wurden.

Probleme von Anfang an

Ab 05.50 Uhr am Morgen des 4. März starteten die B-24 von den Flugplätzen in England. Beladen waren die Bomber standartmässig mit einer todbringenden Kombination aus Brisanz- und Brandstabbomben. Für Angriffe auf Industrie- und Bahnanlagen wurden in der Regel vorwiegend Brisanzbomben verwendet. Auf Wohnquartiere wurden vorwiegend Brandbomben abgeworfen, was 1944 70% der Gesamttonnage ausmachte. Die verheerende Wirkung der Brandstabbomben zeigte sich in den deutschen Grossstätten wie zum Beispiel Hamburg. Der durch das Bombardement ausgelöste Feuersturm erzeugte eine Heissluftsäule von 4000 m Höhe und einen Durchmesser von 2,5 km.

B-24 Liberator History_1

B-24 Bereit zum Start - Foto zvg. 382nd Bomb Group Annette Tison https://www.b24.net

Um 07.30 Uhr überquerten die Bomber bei sehr schlechtem Wetter und Sicht die belgische Küste. Im Bereich der Formationszusammenführung östlich von Paris trafen die Verbände in der Höhe von 12’000 bis 17’000 Fuss (3'500 / 5'000 Metern) auf eine dichte weitere Wolkendecke. Erzeugt hatten diese Wolken die mehreren hundert B-17 Bomber der 1st und 3rd Air Division, die auf dem Weg zu ihren Zielen waren. Es war unmöglich diese Wolkendecke weder zu unter- noch zu überfliegen, da auch die 2nd Air Division die Wolken weiter produzierten. Als weiteres Problem stellt sich heraus, dass das Bea¬ Con (Funkfeuer) von der 8th und 9th USAAF zur Unterstützung der Bomber wegen eines defekten Zahnrades ebenfalls nicht richtig funktionierte. Es war deswegen zu keinem Zeitpunkt möglich die 2nd Combat Wing zu formieren. Die 59 B-24, welche zum Beispiel Giebelsadt bombardieren sollten, brachen darauffolgend die Mission ab.

Um den Rest der 2nd AD zu formieren stiegen die B-24 auf 23’000 Fuss (7'000 Meter), etwas unter ihrer maximalen Einsatz-Flughöhe. Die B-24 liessen sich in dieser Höhe nur schwer fliegen und waren ungemein schwerfällig. Die Kondensstreifen behinderten eine visuelle Sichtung und an ein geordnetes formieren war nicht zu denken. Die Führungsformation aus sieben Bombern versuchte Ordnung zu schaffen. Einzelne Bomber kreisten ziellos umher. Piloten sagten später aus, dass über dem Versammlungsgebiet Chaos am Himmel herrschte. Vielen Piloten waren gezwungen eine Reihe harter Kurven nach Back- resp. Steuerbord, sowie mehrere volle Kreise zu fliegen. Bei diesen vielen Manövern verloren viele Piloten den Sichtkontakt zu ihren Formationskommandanten. Auf Funkrufe wurde kaum geantwortet.

So schlossen sich zum Beispiel 1st Lt. P. Sincock's B-24 der 579th Bombardment Squadron der 445th und 491st Bomb Group an. Sie konnten jedoch ebenfalls nicht miteinander kommunizieren, da die unterschiedlichen Gruppen auf verschiedenen Frequenzen funkten und diese den anderen nicht bekannt waren. Es war zu dieser Zeit aber nicht ungewöhnlich, dass Formationen bei schlechtem Wetter durcheinander gerieten, was die Rolle des Führungsbombers umso wichtiger machte. 1st Lt. P. Sincock führte daraufhin die sechs B-24 Liberator an, welche in der Folge fälschlicherweise Zürich bombardieren sollten. Für viele Navigatoren bedeuteten die ständig ändernden Position eine "dead bill" zu verfolgen. Ihnen war es einfach nicht mehr Möglich in dieser Situation Schritt zu halten. Navigatoren, die sich auf die "dead bill" verlassen mussten, um ihren Kurs zu verfolgen, konnten ein oder zwei harte Kurven bewältigen, aber wiederholte Kursänderungen nach Back- und Steuerbord machten eine genaue Navigation unmöglich.

B-24 Liberator Kondenzstreifen

Kondenzstreifen am Himmel beim Sammelpunkt der B-24 -  - Foto zvg. 382nd Bomb Group Annette Tison https://www.b24.net

Die vielen kleinen Bombergruppen, die sich vom Hauptverband lösten hatten nur eine ungefähre Ahnung wo sie sich genau befanden. Mit Hilfe des H2X versuchten die Navigatoren ihre Position neu zu bestimmen. Sie waren sich aber alle sicher nördlich des Rheins zu sein und somit über Deutschland. Genau wusste sie es aber nicht. Es gab mehrere kleinere Gruppen von 6 bis 12 B-24 und einem grösseren Verband, angeführt von Major Keilman von der 579th Bombardment Squadron. Ihm gelang es in der Folge das wichtige Industriezentrum der Stadt Pforzheim, zwischen Stuttgart und Karlsruhe, zu bombardieren, die auf der Hauptroute in einem tiefen Tal lag. Einige Flugzeuge der anderen Gruppen bombardierten Stuttgart und die Stadt Freiburg am südlichen Ende des Schwarzwaldes. Die Piloten der versprengten Gruppen forderten ihre Besatzungen auf, auf Gelegenheitsziele zu achten. Als übliche Vorgehensweise in solchen Situationen galt: jede Bombe, die auf Deutschland abgeworfen wurde, war eine gute Bombe. Die Rückkehr zur Basis mit einer Bombenladung wurde als Misserfolg der Mission angesehen.

Zur gleichen Zeit war auch eine Gruppe der 466th Bomb Group auf der Suche nach einem Ausweichziel. Auch sie mussten die Suche nach ihrem Hauptziel aufgeben. Ihr Wing Leader Lieutenant Colonel John M. Jacobowitz hatte über Funk durchgegen, dass man sich nördlich von Stuttgart befinde und man solle mithilfe des H2X-Radar eine Bombardierung starten. Die Gruppe hatte sich kurz vor 10.00 Uhr neu formiert, als eine andere Gruppe von B-17 ihre Route kreuzte. Es herrschte ein heilloses Durcheinander und nur mit viel Glück und geschickt kam es zu keinen Zusammenstössen in der Luft. Die Formation der 466th BG wurde in der Folge in alle Himmelsrichtungen zerstreut und es bildeten sich mehrere kleiner Gruppen.

Eine der versprengten Gruppen von 9 B-24 wurde von der B-24J "Jennie" Code: T9-I angeführt, welches von First Lieutenant Ivan Wright pilotiert wurde und über ein H2X-Radar verfügte. Der "Jennie" folgten in der folgenden Reihenfolge

First Lieutenant William K. Lee

First Lieutenant John Gerrity - B-24J "Damifino" Codes: T9-K & 2U-O

First Lieutenant Robert Beeman

First Lieutenant Ed McGinty - B-24J "Big Fat Mama"

Second Lieutenant Warren Sharrock

First Lieutenant Clifford Ellison

First Lieutenant L.E. Baker – B-24J „Makin’ Believe“

B-24J-1-FO

Crew #751 & #483 - Ivan M. Wright Crew - 466th BG - 787th and 784th Bomb Squadrons - B-24J-1-FO #42-95617 "Jennie" Code: T9-I

Stehend von vL.n.R.: Harold E. Hansen (B), Edward C. Brown (N), Edward M. Ritts (CP), Ivan M. Wright (P)

Knieend v.L.n.R: John D. Van Nest (G), Arthur A. Danekas (G), Vern C. Rhoades (R/O), Robert P. Nichols (FE), John W. Fee (G), Geranld K. Novell (G)

©The American Air Museum in Britain - Imperial War Museum - Bildquelle http://www.americanairmuseum.com

Aus dem „Individual Crew Diaries“ der 466th Bomb Group ist zu entnehmen, dass Navigator Raymond L. Carlson, der von Lt. William K. Lee geflogener B-24, welche ebenfalls über ein funktionsfähiges H2X-Radar verfügte, an die anderen Besatzungen funkte, Freiburg als Gelegenheitsziel identifiziert zu haben und sie würden den Bombenangriff starten. Gleicher Meinung war auch der Navigator Edward C. Brown des Führungsbombers. Die Besatzungen bereiteten sich auf den Abwurf vor. Navigator Legon Moore von der "Damifino" entdeckte den Navigations-Fehler und funkte, dass er sicher sei, dass dies Basel wäre. Navigatoren in anderen Flugzeugen hatten ebenfalls das Gefühl, dass unter ihnen Basel läge. Die Besatzungsmitglieder meldeten zum Schweizer Luftabwehr mit „colored Flak“, um ihnen zu zeigen, dass sie nahe an der Grenze waren.

Es war jedoch schon zu spät und es erfolgte der Befehl „Bombs away“.

Sonntagmorgen in Basel

Als die US amerikanischen B-24 Bomber in die Höhe stiegen, schliefen an diesem Sonntagmorgen die meisten Basler noch. Es war bittere -5 Grad und der Wind blies aus nordöstlicher Richtung. Hinter ihnen lag eine unruhige Nacht mit viele Flugbewegung über dem Dreiländereck und dreimaligem Fliegeralarm. Erst um 04.17 Uhr setzte mit dem Endalarm endlich Ruhe ein.

In Basel waren jeher die Zivilschutzmassnahmen nicht gut angekommen. Weder die Verdunkelung noch der Befehl der Entrümpelung der Estriche noch die Einteilung in eine Hausfeuerwehr. Der Eingriff in die Privatsphäre war den meisten Basler Bürgern zu gross.

Am 17. September 1944 wurde via Tageszeitungen nochmals zur Wachsamkeit aufgerufen und gemahnt. Folgende Empfehlungen wurden ausgesprochen:

a) Bei Fliegerangriffen in der Nachbarschaft sind die Fensterläden zu schliessen und alle Türen und Fenster mit Glasfüllung zu schliessen.

b) Grundsätzlich bei offenen Fenstern, jedoch geschlossenen Läden und gezogenen Vorhängen zu schlafen (bei grösserer Kälte sollten die Fenster nur angelehnt werden).

c) Betten, besonders von Kindern, von den Fenstern weg und so an die Wände (eventuell auch kostbare Gegenstände) zu stellen, dass die durch die Fensteröffnungen fliegenden Splitter kein Unglück anrichten können.

LöschbesenLöschsand und Eimer

Löschbesen, sowie Löschsand und Löscheimer gehörten in jedes haus und sollten die Hausfeuerwehren bei der Brandbekämpfung gegen Brandstabbomben unterstützen - Bildquellen Patrick Schlenker

Bei Fliegeralarm, der von Kriegsereignissen in der Nachbarschaft begleitet ist, wird das Aufsuchen der Schutz- oder Kellerräume, unter Mitnahme von Fluchtgepäck, Mänteln und Wolldecken dringen empfohlen. Der Aufenthalt auf Strassen, Dächern und Terrassen ist bei Kampfhandlungen nahe der Grenze stets mit Lebensgefahr verbunden. Vorbeugen ist besser als heilen!

Wie unbeliebt die Massnahmen im Allgemeinen waren zeigte die Tatsache, dass die Luftschutzpolizei wegen unzureichender Verdunkelung im Durchschnitt 350 Personen pro Nacht verzeigen musste. Vielen war das aufsuchen der Luftschutzeinrichtungen zu mühsam und sie blieben einfach im Bett um weiterzuschlafen oder aber sie gingen auf die Strasse um die anfliegenden Flugzeuge zu beobachten.

So auch am 7. Oktober 1944. Da waren Basels Bürger trotz Fliegeralarm zu hunderten auf die Rheinbrücken geströmt um sich das Schauspiel der Luftschlacht um das Stauwehr Kembs anzuschauen. Die sechs Lancaster Bomber der 617 Squandron der Royal Air Force mit einer französische Begleitjägerstaffel mit gegen 30 P-51 Mustangs bekämpften die Ortsansässige Flak auf der Deutschen Seite. In der Folge der Abwürfe durch 6 Tonnen schwere Tallboy Bomben wurde das Stauwehr stark beschädigt, was zu einem massiven Abfall des Rheinpegels in Basel führte. Granatsplitter der deutschen Flak setzten einen Schuppen in Brand und beim Absturz des Lancasters F/Lt Lancaster Mk.III, LM.482, Code KC°Q , pilotiert von Christopher Howard, auf der Deutschen Seite des Rheins, wurden im Rheinhafen die dort patrouillierenden Soldaten durch die Druckwelle umgeworfen. Siehe Beitrag Bomberangriff auf das Stauwehr Märkt D - Kembs F 7. Oktober 1944

Auch am Morgen dieses 4. März war es nicht anders. Um 08.50 Uhr ertönte erneut Fliegeralarm. Es war der über 500. Fliegeralarm seit 1940, und der über 200. seit Anfang 1945. Viele Bürger Basels blieben lieber in ihren Betten oder ignorierten einfach die behördlichen Massnahmen anstatt sich in die nahen Luftschutzunterkünfte zu begeben. Auch am Bahnhof SBB wurde nicht reagiert. Der Zugverkehr wurde planmässig weitergeführt. Basels Leben ging weiter.

Das änderte sich auch nicht als um 10.06 Uhr über dem Elsass eine Bomberstaffel erschien, welche auf dem Hügelrücken des Isteiner Klotzes, den Schafberg und das hintere Kandertal mit Bomben angriff. Aus der Region gegen Rosenau und des Kembser Stauwehrs konnte deutsches Flakfeuer wahrgenommen werden. Nichts Ungewöhnliches für die Basler. So waren schon seit Monaten an der Grenze entlang Kämpfe im Gange.

Kurz nach 10.10 Uhr waren weitere Motorengeräusche von anfliegenden Bombern in rund 4000 Metern Höhe aus östlicher Richtung wahrzunehmen. Teile des Schweizer Flab Rgt. 21 (7.5 cm) eröffneten das Feuer auf die anfliegenden Gegner. Sofort war der Himmel voll weisser Wölkchen von den explodierenden Geschossen.

Und da waren sie plötzlich. Die neugierigen Köpfe in den Türen, den Fenstern und auf der Strasse mit Blick gegen den Himmel. Die Flaksperre war viel zu tief, denn die Bomber setzten ihren Kurs unbeirrt vor. Doch dann wurde gemäss Zeugenaussagen von Passanten und Spaziergängern eine der Maschinen getroffen. Mit einer Rauchfahne nachziehend zog der Bomber eine weiter Kurve und stürzte östlich von Basel ab. Andere erklärten, dass der Bomber in der Luft explodiert sei.

Bilder aus Riehen_1

Rauchspuren über Basel. Was die Augenzeugen als abstürzenden Bomber identifiziert hatten, war in Wirklichkeit eine Signalrakete der anfliegenden Bombergruppe - Bildquelle Dokumentationsstelle Riehen

Signalrakete_über_Basel_1

Signalrakete über Basel - Foto Ernst Senn Binningen - Veröffentlicht Basler Nachrichten 6. März 1945

Kurze Zeit später, genau um 10.13 Uhr, warfen die neun B-24 Bomber der 466nd Bomb Group, die in zwei Gruppen zu siebt und zweit anflogen aus einer Höhe von 3000 Metern die ersten Bomben ab. Dies als sie über dem St. Alban Quartier, Höhe Schulhaus Neumatt, waren. Die neun Bomber entluden ihre Last von 50 Brisanzbomben mit einem Gesamtgewicht von 12,5 Tonnen und 5 Tonnen Brandstabbomben. Die rund 2000 Brandstabbomben gingen grösstenteils über dem Güterbahnhof Wolf und Gundeldingerquartier nieder. Die Einschläge kündigten sich mit einem ohrenbetäubenden Sausen an, bevor schwere Detonationen ganz Basel erschütterten. Die ersten Einschläge erfolgen im Gellert- und im Breitequartier und beschädigten viele Privathäuser.

Auf der Flucht warfen sich viele Menschen geistesgegenwärtig zu Boden. Jene die noch konnten, suchten Schutz in Hauseingängen oder kauerten an der nächsten Wand nieder. Die Detonationen fühlten sich wie Erdbeben an und die Luft und der Boden erzitterten. Die Betroffenen berichteten später, dass sie sich dicht an den Boden geduckt während Sekunden nicht bewegen konnten und das Atmen ungemein schwer fiel. An der Münchensteinerbrücke stürzte eine ältere Frau und zog sich eine Platzwunde am Kopf zu während neben ihr dutzende von Brandbomben niedergingen und sich entzündeten. Die zwei Tramzüge auf der Kreuzung waren im nu leer. Am neu gebauten Tramhäuschen der Linie 11 an der Münchensteinerbrücke wurde ein Kind verletzt. Es war kaum möglich alles zu erfassen, alles geschah so schnell und alles im selben Augenblick. Der von den Brandstabbomben hochsteigende Rauch war beissend und brannte in den Augen und der Lunge.

Tellstrasse 

Erschrockene Anwohner an der Tellstrasse, Blickrichtung Münchensteinerbrücke. Im Hintergrund die brennenden Gebäude der Firma Rapp & Cie. - Fotograf H. Christen - Bildquelle Privatarchiv Patrick Schlenker

Im Gundeldingerquartier waren die Hoch-, Münchensteiner-, die Tell- und Schillerstrasse von den Abwürfen betroffen. Über den Strassen ist neben einer Fülle an Brisanzbomben eine grosse Anzahl an Brandbomben wie ein heisser Frühlingsregen niedergegangen. Die Liegenschaften der Tellstrasse 17 und 21 wurden je durch eine Bombe getroffen. Während die Bewohner der Nummer 17 durch ihr beherztes Eingreifen Schlimmeres verhindern konnten, breitete sich der Brand im Haus Nummer 21 rasch aus und entzündete auch die Nachbarliegenschaft: Hinter dem Tellkino am Tellplatz zur Schillerstrasse wurde ein Hinterhaus getroffen und stand in Vollbrand. An der Strassenkreuzung Engelgasse - St. Albanring und Sissacherstrasse waren die Strassen von Kratern übersäht. Die dortigen Liegenschaften und die Schreinerei Anklin am St. Albanring wurden stark in Mitleidenschaft gezogen. Vor der Liegenschaft 271 gab es eine grosse Einschlagstelle. Das angrenzende Gebäude wies eine Vielzahl an Rissen in der Fassade auf. Das Dach wurde durch die Wucht angehoben. Im Inneren des Hauses stand nichts mehr dort wo es vor der Explosion gestanden hatte. Die vier Bewohner kamen bis auf den Sohn, welcher durch den Luftdruck erheblich verletzt wurde, mit dem Schrecken davon.

Brand Tellstrasse 17

Rauch und Feuer aus dem Dachstock der Liegenschaft Tellstrasse 17 und 21 - Bildquelle Privatarchiv Patrick Schlenker

Das freistehende Einfamilienhaus an der Kreuzung Hirzbodenweg / Engelgasse 115 wurde durch einen Volltreffer vom Keller bis zum Dach komplett auseinandergerissen. Man konnte in das Gebäude hineinblicken. Die Stockwerke hingen vollumfänglich frei in der Luft. Der Hausrat lag vor dem Haus verstreut auf der Strasse. Vor dem Haus hat die Bombe einen gewaltigen Trichter erzeugt und die Steinsockel bis zu 200 Meter weit in die Luftmatt geschleudert. Im Gebäude hatte sich zur Zeit des Angriff nur die Tochter in einem Nebenzimmer aufgehalten, während die Familie in der Kirche weilte. Dabei erlitt sie einen Schock. Die gegenüberliegende Pension wurde ebenfalls beschädigt, wie auch an der naheliegenden Handelsschule sämtliche Fensterscheiben zerborsten waren.

Engelgasse 115

Zerstörtes Gebäude an der Engelgasse 115, Ecke Hirzbodenweg - Bildquelle Privatarchiv Patrick Schlenker - Koloriert Patrick Schlenker

Bomben auf Basel_2

Engelgasse, Ecke St. Alban Ring - Bildquelle Privatarchiv Patrick Schlenker - Koloriert Patrick Schlenker

In der Hochstrasse 100 gehen die Liegenschaften des Familienunternehmens Rapp & Cie AG, von mehreren Brandbomben getroffen, komplett in Flammen auf. Auch der auf der gegenüberliegende Werkhof brannte Licherloh. Die Liegenschaften waren nicht zu retten und brannten in der Folge komplett aus. Anscheinend wurde versucht, die im ersten Stock liegengebliebenen Brandstabbomben mit Wasser zu löschen, was diese Elektron-Thermitstäbe, welche bei rund 2'400 Grad brannten, nur noch mehr anfachten. An der Schillerstrasse gibt es zudem grosse Schäden bei der Wein und Spirituosen-Engros-Handlung Rahn & Cie.

 

Feuer Firma Rapp

Flammen schlagen aus den Fenstern der Liegenschaft der Firma Rapp Seite Tellstrasse - Bildquelle Schweizerisches Feuerwehrmuseum Basel - Koloriert Patrick Schlenker

Das Erledigen der Entstehungsbrände wurde von den zum Teil gut ausgerüsteten und ausgebildeten Hausfeuerwehren übernommen. Von vielen Bewohnern wurden bemerkenswerte Leistungen erbracht. An der Hochstrasse 80 durchschlug eine Brandstabbombe das Dach und blieb im Schlafzimmer des dritten Stock liegen. Die Bewohnerin, welche sich zum Zeitpunkt in der Küche aufhielt, blieb unverletzt und begann das Feuer mit Sand zu löschen. Mit Hilfe der Nachbaren wurde das schon brennende Mobiliar in den Hof hinuntergeworfen. Das Feuer konnte nicht eingedämmt werden und musste später von der Feuerwehr bekämpft werden. Mehr Erfolg hatten die Bewohnerinnen und Bewohner der Hochstrasse 84 und Uhlandstrasse 8. Sie konnten die Brandbomben im Estrich rechtzeitig unschädlich machen. In der Thiersteinerallee brannten die Dächer der Liegenschaften Nummer 9 und 11, sowie jenes des Thiersteinerhofes. Dazu kamen weitere acht Dächer im nahen Umkreis. Bei den Löscharbeiten der Brandstabbomben zog sich zudem ausgerechnet ein hoher Armeeoffizier Brandverletzungen im Gesicht zu als er einer Brandbombe mit Wasser zu Leibe rückte.

Dachstockbrand Thiersteinerallee

Dachstockbrand an der Thiersteinerallee 14 - Fotograf W. Höflinger - Bildquelle Privatarchiv Patrick Schlenker

Von der Ecke Münchensteinerstrasse / Thiersteinerallee bis hinaus zur Reinacherstrasse waren sämtliche Fensterscheiben zerstört. Einen weiteren Volltreffer erhielt die Birseckbahn an der Einmündung der Reinacherstrasse in die Münchensteinerstrasse. Beide Geleisestränge wurden auseinandergerissen und der dort stehende Alleebaum wurde weggefegt. An seinem ursprünglichen Standort klaffte nur noch ein 10 Meter breites und 6 bis 8 Meter tiefes Loch in der Erde. Teile der Schienen, sowie Splitter und Erde beschädigten den Lagerschuppen des Kaiser-Kaffee-Geschäftes an der Reinacherstrasse.

Löscharbeiten Hochstrasse

Brandbekämpfung an der Hochstrasse. Das Foto wurde aus der Seite Tellstrasse aufgenommen, mit Blickrichtung Innerstadt. Im Hintergrund sind die beiden Türme des Münsters zu erkennen - Bildquelle Privatarchiv Patrick Schlenker - Koloriert Patrick Schlenker

Eine Bombe explodierte hinter dem Häuserblock der St. Jakobstrasse auf freiem Gelände zwischen den Wohnhäusern und der SBB Stammlinie Muttenz - Pratteln. Auch die Strasse wurde dort stark beschädigt. Gegenüber stand der Lagerplatz ebenfalls durch Brandstabbomben getroffen in Vollbrand. Bei der Reitbahn St. Jakob (Schänzli) an der Strassenspitze der St. Jakob-Eisenbahnbrücke wurde durch Treffer die Wasserleitung getroffen, wonach sich dort ein See bildete. Weitere Brisanz- und Brandstabbomben gingen zwischen dem Wolfgottsacker und dem Walkenweg nieder und hinterliessen grosse Trichter in der Böschung und des Zufahrtsgeleises. Der Friedhof Wolf und dessen Umgebung waren von Brandstabbomben übersäht.

Augenzeugenbericht #1

Ich hatte soeben meine gewohnten Haushaltsarbeiten beendet und wollte gerade das Fenster zur Grosspeterstrasse öffnen, um den beim Anheizen entstandenen Rauch zu vertreiben, als mich ein verdächtig nahes und unwahrscheinlich gleichmässiges Motorengebrumm aufhorchen liess. Ich nahm an, dass es sich um auf dem Rückflug befindliche Flugzeuge handelte. Ich wollte mich wieder vom Fenster zurückziehen, als mir plötzlich ein in etwa 5000 Meter Höhe fliegendes Flugzeug auffiel, dass nach einigen Zickzackflügen zwei Rauchraketen zur Erde abschoss, die während längerer Zeit wie grosse weisse Seilstücke in der Luft hängen blieben. Jetzt tauchten plötzlich weitere Flugzeuge hervor, flogen kreuz und quer nebeneinander vorbei und verschwanden wieder in den Wolken. Ich stellte den Fensterflügel an und wollte mich wieder zurückziehen. 

Auf einmal wurde es dunkel, ein schwerer Druck legte sich mir auf die Brust, dann ein gewaltiges Krachen. Knirschen von brennendem Holz und klirren zerbrechender Fensterscheiben. Ohne mich irgendwie wehren zu können, wurde ich Rückwärts durch das ganze Zimmer gestossen und schlug zwischen dem Ofen und der Chaiselounge schwer zu Boden. 

Noch während des Falles wurde mir klar, dass der Bahnhof Ziel eines Bombenangriffes gewesen sein musste und ich kannte nur noch einen Gedanken! Nichts wie los in den Luftschutzkeller! Ganz benommen versuchte ich durch die Türe zu kriechen als ein weiterer Exlosionseinschlag das ganze Haus von neuem erzittern liess. Eine dunkle Staubwolke flog durch das Zimmer. Ich wurde der länge nach auf den Boden gestreckt und wusste nichts mehr von mir. Als ich nach einigen Sekunden oder Minuten wieder zu mir kam, spürte ich einen sandiges Knirschen zwischen den Zähnen und feiner Staub legte sich in der Luftröhre nieder und erst nach einigen Hustestössen konnte ich weder atmen und mir die Bescherung ansehen. 

Alles was ich da liegend sehen konnte war von einer millimeterdicken Schicht  feinsten Staub bedeckt. Neben mir am Boden lagen zwei Bücher, die ich auf den Tisch gelegt hatte und daneben standen, jawohl standen die Blumen aufrecht und unversehrt. Mühsam stellte ich mich auf die Füsse und tastete mich durch den noch immer in der Luft hängenden Staub gegen das Fenster hin. Ein stechender Schmerz im linken Fuss belehrte mich, dass ich auf etwas Spitziges getreten war und zwar nur mit einem Strumpf bekleideten Bein. Der Schuh war mir inzwischen verloren gegangen. Der andere Schuh dagegen sass noch fest an meinem rechten Fuss. Meine Blicke suchten überall nach dem verlorenen Schuh, ohne ihn vorderhand entdeckten zu können. Nun schaute ich nach, worauf ich vorhin getreten war. Es war eine Glasscherbe, nein, einen ganzen Haufen Glasscherben. Das ganze Zimmer war übersäht davon. 

Ich schaute aus dem Fenster hinaus. Die drei Flügel des breiten Fensters standen alle Sperrangelweit offen. Die Vorfenster waren bis auf einen Flügel verschwunden. Diese hingen Teilweise an den Drähten der vom Hausmeister gezogenen Weinreben, teils lagen sie zerschmettert im Vorgärtlein. Die Strasse war mit Erde und Steinen braun übersäht und sah aus wie ein Acker nach dem Défilé schwerer Artillerie. Der Garten neben der Reitschule St. Jakob verschwunden. An seiner Stelle dehnte sich ein dunkelbrauner schmutziger See aus. Die Umzäunung war zu einem Teil weggerissen und der Mast der Strassenbeleuchtung lag zerborsten mitsamt der Lampe am Boden. Ein widerlicher Gasgeruch stieg mir in die Nase. Eine Gasleitung schien geborsten zu sein. 

Sorgsam meinen unbeschuhten Fuss neben die gehäuften Glasscherben setzend suchte ich die sich im Rückwertigen Teil des Hauses gelegenen Räume auf. die Türe zum Schlafzimmer brauchte ich nicht zu öffnen. Sie stand bereits weit offen. Der Türrahmen im Innern des Zimmers stand einwärts gebogen weit von der Mauer ab. Die Möbel waren auch hier mir einer dicken Staubschicht bedeckt. Bücher und Hefte auf dem neben dem Schrank stehenden Tisch lagen in wildem Durcheinander da. Die Vorhänge waren von den Fenstern gerissen. Die Fensterscheiben glücklicherweise noch ganz. Ich entsann mich, die Fenster vom morgendlichen Lüften offen gelassen zu haben.

Ich schaute in den Hof hinunter. Da, wie bei den Nebenhäusern grosse Scherbenhaufen. Schon klopfte die Mieterin des Stockwerkes unter mir ihre Teppiche und über mir hörte ich das Klirren von zusammengelesenen Glasscherben. Diese mich an die Frühlingsputze mahnenden Geräusche brachten mich aus der Benommenheit rasch wieder in die Wirklichkeit zurück. Ich holte schleunigst Besen und Schaufel hervor und machte auch mich ans die Aufräumarbeiten, froh, trotz zwei in nicht einmal zwanzig Meter Entfernung niedergegangenen Sprengbomben wieder einmal mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein. 

Früchte Kühlhaus

Der Dachstock der Landwirtschaftlichen Genossenschaft (ehemals Frutta-Bell AG) war nicht mehr zu Retten und brannte aus. Im Vordergrund steht das eiligst durch Anwohner und Arbeiter geretette Mobiliar - Bildquelle Schweizerisches Feuerwehrmuseum Basel - Fotograf Jeck Basel - Koloriert Patrick Schlenker

Auf dem Areal des Wolfbahnhofes wurde der Westflügel der Wolfsbahnhof-Lagerhauses (Güterhallen I & II) auf einer Länge von 30 Metern komplett eingedrückt und es entstand grosser Sachschaden am Rollmaterial und an den Geleisen. Die Detonationen waren so gewaltig, dass sogar ganze Achsen von Bahnwagen auf das Lagerhaus geschleudert, Fahrleitungen heruntergerissen und Schienen und Schwellen wie Streichhölzer zerbrochen wurden. Einzelne Eisenbahnwagen wurden auf die Seite geschleudert und lagen nun kreuz und Quer auf den Geleisen. Die glücklicherweise leeren Kesselwagen waren grösstenteils auseinandergerissen. Es wurden insgesamt 22 Einschlagtrichter gezählt. An ein Wunder grenzt die Tatsache, dass keiner der zur dieser Zeit auf dem Gelände bearbeitenden Bahnarbeiter verletzt wurde. Ein Grossteil der Brandstabbomben die auf dem Bahnhofsgelände niedergingen brannten aus, ohne nennenswerten Schaden anzurichten. Andere wiederum entzündeten Eisenbahnwagen, welche den Flammen zum Opfer fielen noch bevor die Bahnhofsfeuerwehr einschreiten konnte. Sie waren meist schon bis auf das Eisengerippe ausgebrannt. Weitere Brandstabbomben entzündeten zudem mehrere mit Kohle beladene Eisenbahnwagen, die wie Fackeln vor sich hinbrannten. Die Bruderholz-Passarelle war übersäht mit Erdklumpen, Geschossen, Glas und Eisenbahnbestandteilen.

Bombenschäden Wolfbahnhof _6

Zerbombte Lagerhallen auf dem Wolfbahnhof - Fotograf Robert Lanz - koloriert Patrick Schlenker
 
Zehn Minuten nach den Einschlägen rieselte es immer noch Sand, Lehm und Asche vom Himmel. Zum Teil waren 200 Meter von den Einschlagskratern entfernt Dächer und Fassaden von herumfliegenden Trümmern durchschlagen worden.  Eine eiserne Eisenbahnschwelle war sogar über 600 Meter weit weggeschleudert worden und blieb vor dem Portal des Theirsteinerschulhauses liegen. Die Vielzahl an Brisanzbomben hatte das Gelände zwischen Münchensteinerbrücke und Bruderholz-Passarelle beim Verwaltungsgebäude der Verband Schweizerischer Konsumvereine VSK in ein Trümmerfeld verwandelt. An zwei Gebäuden des VSK sind die Dachstäcke komplett ausgebrannt und das Papierlager und Druckereigebäude im Hinterhof wurden komplett zerstört. Dabei verbrannte Papier im Wert von einer 1/4 Million Franken. In der Druckerei wurde das Genossenschaftliche Volksblatt gedruckt. 

Löscharbeiten in der Druckerei

Das Druckereibäude und Papierlager der VSK im Hinterhof der Thiersteinerallee ging komplett in Rauch auf und war nicht mehr zu retten. Die Feuerwehrmänner inmitten der grossen Rollen Papier - Löscharbeiten im Papierlager. - Bildquelle Fotoarchiv Schweizerisches Feuerwehrmuseum Basel - Koloriert Patrick Schlenker

In der Folge des Angriffes brachen rund 50 Entstehungsfeuer, ein mittleres Feuer, sowie 16 Grossbrände aus. Eines der Grossfeuer war auf dem Dach eines Lagerschuppens der ehemaligen Frutta-Bell AG zwischen dem Bahnhofskühlhaus und der Jurabahnlinie ausgebrochen. Trotz rasch eingeleiteter Massnahmen war das Dach nicht mehr zu retten. Das Gebäude war 1924 neu gebaut worden, nachdem es am 11. Februar 1924 bei einem Brand komplett zerstört wurde. Man musste sich wegen Mangels an Feuerwehrleuten wie vielerorts zuerst darauf beschränken das Inventar und die Lager zu retten, bevor man mit Löschen beginnen konnte.

Übersichtsplan Brände Gundeldingerquartier_1

Ausgebrochene Brände im Gundeldingerquertier infolge der abgeworfenen Brandstabbomben - Plan-Quelle: Geodaten Kanton Basel-Stadt - Bearbeitung Patrick Schlenker

LS Karte 1945_1

Kartenausschnitt der Luftschutz-Karte des Einsatzdetachement des Luftschutzbattalions von Hptm. Muchenberger mit den Standorten der Luftschutzeinheiten, Wasserbezugsorten, Sanitätshilfe- und Sammelstellen und Hydranten

Die ständige Feuerwache Basel rückte mit zwei motorisierten Löschzügen bestehend aus je einer MS (Motorspritze) und DL (Drehleiter) aus. Das ebenfalls auf dem Lützelhof, dem Standort der ständigen Feuerwache, einquartierte Einsatzdetachement des Luftschutzbattalions, Einheiten des Quartierluftschutzes und der Freiwilligen Feuerwehrkompanien Basel rückten sofort nach und versuchten über zwei Stunden Herr der Lage zu werden. Die Feuerwehren waren nach dem Alarm mit allen ihren zur Verfügung stehenden Mitteln und Gerätschaften ausgerückt. Der Gesamtbestand von 330 Mann war bei den vielen Bränden, verteilt auf verschiedene Quartiere, trotzdem zu gering um rasch Hilfe leisten zu können. Man schaffte es aber mit Unterstützung der Hausfeuerwehren innert 20 Minuten sämtliche Entstehungs- und das eine Mittelfeuer unter Kontrolle zu bekommen.

Ständige FW Basel

Einer von zweien motorisierten Löschzügen der ständigen Feuerwache Basel 1940 an ihrem Standort Lützelhof - Bildquelle Schweizerisches Feuerwehrmuseum Basel

Grossfeuer brachen an folgenden Adressen aus.

Schillerstrasse 10

Tellstrasse 17, 19, und 52

Hochstrasse 62, 96, 98, 100, 105, 166, 118

Thierstenerallee 11, 14, 22

Münchensteinerstrasse 85, 116

Feuerwehr Basel KMS

Im Vorddergrund ein Angehöriger der freiwilligen Feuerwehr Basel neben einer KMS mit der Nummer 20 und einem Motorwagen. Im Hintergrund die abgebrannte Villa Rapp, Ecke Hoch-, Tellstrasse. - Bildquelle Schweizerisches Feuerwehrmuseum Basel

Auch der Krankentransport Basel hatte alle Hände voll zu tun. Es wurden sämtlich verfügbare Mitarbeiter aufgeboten. Am Bahnhof musste eine Gruppe Verletzter aufgenommen werden welche aus einem gut besetzten ausfahrenden Personenzug stammten. Der Zug hatte um 10.10 Uhr den Bahnhof SBB Richtung Olten verlassen. Die Passagiere hatten sich nach den ersten Einschlägen geistesgegenwärtig unter die Sitzbänke im Abteil geflüchtet. Zuerst dachten sie, der Zug sei defekt und würde entgleisen. Ein Drittklass-Wagen fing nach den ersten Einschlägen sofort Feuer. Unter den Einschlägen weiterer Bomben stürzten Männer, Frauen und Kinder ins Freie. Im Nu war der Zug leer. Die Passagiere suchten Schutz unter anderen Waggons, Lokomotiven und allem, was einigermassen Deckung gab. Der Zug hatte kurz vor der Bruderholz-Passarelle gestoppt. Bei der Flucht hatte sich ein Passagier das Knie ausgerenkt und einer Frau wurde durch einen Bombensplitter das Bein gebrochen. Drei weitere Fahrgäste erlitten leichte Verletzungen. Verletzte gab es auch in der St. Jakobstrasse 156. Bei der Grosspeter-Garage verletzt sich ein Kind und an der Gundeldingerstrasse ein weiterer Passant. Sie alle wurden hospitalisiert. Die meisten Verletzungen waren von leichter Natur. Wie durch ein Wunder kam niemand ums Leben. Es wurden aber insgesamt 100 Menschen verletzt, wobei ein Junge ein Auge verlor.

Über dem Gundeldingerquartier stiegen weiterhin gewaltige Rauchwolken in den Himmel. Unter grosser Mithilfe von Freiwilligen und Unterstützung durch die Hausfeuerwehren gelang es nach 12 Uhr, auch dort die Lage unter Kontrolle zu bringen.

Bilder aus Riehen_2

Die gigantischen Rauchsäulen nach der Bombardierung von Basel waren weit sichtbar. Das Foto entstand in Riehen am Bluttrainweg / Morystrasse an der Grenze zu Deutschland. Links im Bild gut sichtbar, das mit Tüchern ausgelegte Schweizer Kreuz - Bildquelle Dokumentationsstelle Riehen

Insgesamt 79 Häuser wurden von Brandbomben beschädigt. Zum Teil waren mehrere dieser Bomben auf ein einzelnes Haus gefallen. In 61 Fällen konnten die Brandstabbomben von den anwesenden Hausfeuerwehren gelöscht werden. Vielerorts hatte man sich zu Beginn damit beschränken müssen das Mobiliar zu retten.

Dazu wurden auch viele der in der Zwischenzeit ins Gundeldinerquartier strömenden Gaffer aufgefordert zu helfen. Letztere behinderten in der Folge aber eher den Einsatz der Einsatzkräfte. Erst durch das eingreifen der Polizei, welche die betroffenen Strassenzüge sperrte, kam Ordnung zustande. Jeder Helfer trug raus, was er für Wertvoll und wichtig hielt. Unter ihnen auch viele im Urlaub befindliche Soldaten der Schweizer Armee. Das Bild in den betroffenen Strassen war erschütternd. Überall auf den Strassen standen Möbel zwischen frischer Wäsche, Kleidern und Bettzeug und anderes eiligst aus den Häusern gerettetes. Anwohner, gekleidet im Nachthemd, und Passanten im Sonntagsanzug standen Seite an Seite vor den Trümmern und waren fassungslos. Sie konnten die Tragweite des Unglücks noch gar nicht fassen. Ein Deutscher, welcher in Deutschland schon sieben Bombenangriffe erlebt und überlebt hatte, verlor nun sein letztes Hab und Gut in der brennenden Dachwohnung. Sonderbarerweise konnte beobachtet werden, wie vereinzelnd kaum betroffene Anwohner im Gundeldingerquartier hinter ihren Zäunen sofort damit begannen, mit Besen und Schaufeln ihre Grundstück für den Sonntag wieder sauber zu wischen.

Zaungäste

Gaffer auf der Münchensteinerbrücke, kurz nach dem Angriff - Während den Löscharbeiten kamen hunderte via Münchensteinerbrücke ins Gundeldingerquertier, um sich die Schäden anzusehen. - Bildquelle Schweizerisches Feuerwehrmuseum Basel - Koloriert Patrick Schlenker

Noch während der Löscharbeiten war es zwischen Tell- und Hochstrasse zu einer gewaltigen Explosion gekommen. Ausgelöst wahrscheinlich durch einen Blindgänger, welcher durch die Hitze des Feuers explodiert war. Der komplette Rückzug der freiwilligen FW-Kompanien erfolgte nach 18.30 Uhr. Bei den Löscharbeiten kamen auf Seiten der Feuerwehr drei MS, zwei DL, fünf MW (Materialwagen) und neun KMS (Kriegsmotospritzen) sowie zwei Geräteanhänger zum Einsatz. Insgesamt wurden dabei 360 Liter Benzin verbraucht. Alles in allem wurden 50 Schlauchleitungen mit einer Länge von 4'400 Metern verlegt. Die dafür benötigte Wassermenge erfolgte aus 24 Hydranten.

Der Zugverkehr am Bahnhof SBB musste in Folge des Angriffs eingestellt werden, konnte jedoch gegen 11.00 Uhr am Morgen einspurig nach Olten und Zürich wieder aufgenommen werden. Alle anderen Reisenden mussten in Muttenz die Züge verlassen und mit dem Tram nach Basel fahren.

Organisation

Die Einschläge der Bomben wurden nach Sichtung des Luftschutzes für die Einsatzdienste wie folgt aufgeteilt.

I. Nördlich der Bahnlinie, St. Albanring, Engelgasse

II. Das Areal des Güterbahnhofs der SBB

III. Südlich der Bahnlinie, Gundeldingerquartier

In der Zone I gingen ausschliesslich amerikanische 250kg schwere Brisanzbomben nieder. In der Zone II eine Mischung aus Brisanzbomben und Brandstabbomben und in der Zone III fast ausschliesslich Brandstabbomben.

In der ersten Zone mussten die eingesetzten Truppen hauptsächlich ordnend eingreifen. Im ganzen Quartier waren keine Brände ausgebrochen, dagegen wurden an verschiedenen Orten die Wasserleitungen beschädigt und es galt Wasserleitungsschieber zu schliessen. Es musste an geeigneten Hydranten für die Anwohner Gebrauchs- und Kochwasserbezugsorte geschaffen werden. Die Reparaturarbeiten an den Wasser- und Gasleitungen wurden durch die Basler Elektrizitätswerkes (EWB) und das Gas- und Wasserwerk (GWW) übernommen. Die beträchtlichen Gebäudeschäden hatten umfangreiche Räumungs- und Bergungsarbeiten zur Folge. Zudem mussten zwei 250kg Blindgänger, die sich tief in die Gartenerde eingegraben hatten, ausgegraben und geborgen werden. Die eine war durch den Aufschlag auseinandergebrochen, so dass der gelbliche, pulvrige Sprengstoff frei lag. Da keine Brände ausgebrochen waren, beschränkte sich der Luftschutz darauf das Gebiet nach Opfern abzusuchen und um die Aufnahme der entstandenen Schäden. Vereinzelt gab es Beschwerden durch Anwohner, weshalb das Wasser nicht läuft und kein Strom vorhanden sei.

Die Zone II war wegen der Sonntagsruhe glücklicherweise wenig frequentiert. Die Schäden aber waren durch die geschätzen 40 eigeschlagenen Brisanzbomben beträchtlich. Der Bahnluftschutz in Zusammenarbeit mit den städtischen Kräften verrichteten Löscharbeiten. Die Aufräumungsarbeiten bedingten Dispositionen auf längere Sicht, da sich diese als Umfangreich herausstellten. In Verbindung mit den Mannschaften des Luftschutz-Battalion und Sprengstoffspezialisten wurden die Bergungen der Blindgänger, wie jene unter der Jurabahnlinie, in Angriff genommen. Der Blindgänger wurde nur durch Zufall entdeckt Eine weiterer 250 kg Blindgänger hatte sich zwei bis drei Meter tief in die Erde gebohrt. Durch weitere Einschläge wurde dieser wieder zugedeckt und konnte schliesslich nur durch recht vage Spuren erkannt werden. Von den rund 40 Gleisen der SBB waren nur noch 15 intakt.

Am Sonntagnachmittag besuchte der Vorsteher des Eidg. Post- und Eisenbahndepartementes Bundesrat Celio mit den Organen der Abteilung des Luftschutzes das in ein Trümmerfeld verwandeltes Bahnhofsgelände. Dabei wurden die Bahnarbeite lobend erwähnt, welche Geistergegenwärtig auf die aktuellen Situationen reagiert hatten, wie jener Bahnarbeiter, welcher den brennenden 3. Klass-Wagen vom Rest der Komposition abgekuppelt hatte. 

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Durch die Wucht der 250kg schweren Bombe wurden zwei Bahnwagen wie eine Pyramide aneinander gestellt, abgestützt durch einen Dritten - Fotograf Robert Lanz - koloriert Patrick Schlenker

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Durch den passiven Luftschutz geborgener Blindgänger - Fotograf Robert Lanz - koloriert Patrick Schlenker

In der Zone III zogen sich die Nachlöscharbeiten hin, da immer mal wieder Rauch aus den Gebäuden aufstieg. Für die vielen betroffene Anwohner mussten zudem eine andere Bleibe für die kommenden Tag und Wochen gesucht werden. Als grösstes Problem für die Einsatzkräfte stellten sich, wie schon erwähnt, die vielen Schaulustigen heraus. Die Strassenbahnverwaltung hatte anscheinend sogar Neugierige mit Extrakursen zur Schadenzone befördert. Dabei war den meisten wahrscheinlich gar nicht bewusst, dass der Zustand des Fliegeralarms bis weit in den Nachmittag bestehen blieb. Es wäre eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmasses gewesen wenn im Laufe des Mittags neue Bombardierung des gleichen Gebietes stattgefunden hätten.

Weiter musste im Gundeldingerquartier eine grosse Anzahl an Brandstabbomben eingesammelt werden, welche ausgebrannt oder auch als Blindgänger liegengeblieben waren. Viele dieser ausgebrannten Bomben verschwanden als Souvenir in alle Himmelsrichtungen und kommen auch heute noch hie und da zum Vorschein. Die grössten Schäden entstanden an jenen Häusern, welche eine ungenügende Hausfeuerwehr hatten. Dies vornehmlich Geschäftshäuser, welche am Sonntag geschossen waren. Zudem entstanden vielerorts nicht nur Brandschäden, sondern auch Wasserschäden durch das Löschwasser. Weiter wurde im nachhinein festgestellt, dass trotz Hinweisen zur Entrümpelungen der Estriche im Kriegsfall dies an vielen Orten nicht geschehen ist und das ausgebrochene Feuer viel Nahrung fand. Zudem wurde in einzelnen Gebäuden versucht das Mobiliar zu retten, bevor mit der Brandbekämpfung begonnen wurde, was wertvolle Zeit kostete. 

Das Streckenpersonal der Tramverwaltung war ebenfalls bemüht die zerstörten Gleise zu ersetzen und die entstandenen Bombenkrater an der Reinacherstrase / Münchensteinerstrasse zuzuschütten. Bis am Montagmorgen waren diese Arbeiten abgeschlossen und der Tramverkehr konnte wieder aufgenommen werden. 

Brandbomben auf Basel_1 Brandbomben auf Basel_3

Fast gleichzeitig warfen weitere zwei Dreiergruppen von B-24 Bombern Bomben auf Zürich. Dies auf die Landwirtschaftliche Schule am oberen Strickhof, am Zürichbergwald und auf zahlreiche Häuser an der Frohburgstrasse und In der Hub ab. In Zürich war der Fliegeralarm schon um 09.32 Uhr ertönt und die ersten Bomben fielen um 10.19 Uhr. Dabei wurden zwei Häuser komplett zerstört und an über 50 weiteren entstand zum Teil beträchtlicher Sachschaden. An diesem kalten Morgen in Zürich starben 5 Menschen und 15 wurden verletzt.

Am Sonntagnachmittag des 4. März wurde um 12.00 Uhr amtlich mitgeteilt:

"In der Nacht vom 3. auf den 4. März wurde die Schweiz zwischen 17.20 und 03.56 Uhr nördlich der Linie Lausanne - Göschenen - St. Moritz von einzelnen und mehreren Flugzeugen nicht festgestellter Nationalität überflogen. Fliegeralarm wurde in der ganzen Schweiz mit Ausnahme des Tessins ausgelöst. Im Verlaufe des Sonntagvormittags wurden in Basel und Zürich durch fremde Flugzeuge noch nicht festgestellter Nationalität Bomben abgeworfen. In einer Abendausgabe des 4. März war zu entnehmen, dass es nun feststehe, dass der Angriff kein Zufall oder versehen durch einen abstürzenden Bomber war, sondern eine gezielte Bombardierung des Bahnhofes durch eine ganze Staffel. Es konnten bis zu diesem Zeitpunkt keine Flugzeugtrümmer gefunden werden, was ausschliesse, dass ein abstürzender Bomber sich nur seiner Bombenlast entledigen wollte."

Was die Zeugen als brennendes Flugzeug identifizierten war mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Signalrakete zum Zeichen des Angriffs.

Der Basler Regieungsrat

Am selben Abend traf sich Basles Regierung zu einer "Extrasitzung", in derer die zuständigen Luftschutz- und Polizeibehörden über die entstandenen Schäden informierten. Als Massnahme wurde beschlossen, dass die Schäden beim nächsten Polizeiposten anzumelden sind. Die nötigen Formulare werden bereitgestellt. Dringend erforderliche Reparaturen und Ersatzbeschaffungen können sofort in Auftrag gegeben werden. Auf entsprehendes Gesuch, wird diekantonale Brandversicherungsanstalt Vorschüsse gewähren. 

Der Regirungsrat hat zudem den Bundesrat auf telegraphischem Weg über die Schadensereignisse orientiert und ihn ein weiteres mal darum gebeten, dass solche Vorkommnisse nicht mehr stattfinden dürfen. Weiter wurde gefordert, dass über die die entstandenen Schäden Schadenersatz zu leisten sei und die zuständigen eidg. Behörden anzuweissen seien, für die reparaturen das nötige Baumaterial und Kontigente zur Verfügung zu stellen. 

Der Regierungsrat bezeugte zum Schluss der Sitzung den vom tragischen Unglück betroffenen seine tiefempfundene Anteilnahme. Er sprach den Angehörigen des Luftschutzes, der Feuerwehr, der Polizei, der Kriegsschädenfürsorge, der Truppe und allen denjenigen, die in uneingenütziger Weise wertvolle Hilfe geleistet hatten seinen Dank aus. 

Das Mass ist voll

Aus den Basler Nachrichten vom 5. März 1945

Noch sind keine zwei Wochenverstrichen seit der Bombardierung von Stein am Rhein, Ratz und anderen Orten unseres Landes, da hat bereits eine neue schwere Verletzung unsers Hoheitsgebietes in Basel und Zürich schwere Opfer an Menschen und an Sachen gefordert. Bis zur Stunde, da diese Zeilen geschrieben werden, steht der Bericht der amtlichen Untersuchung über die Nationalität der Flieger noch aus, die sich mit derart brutaler Rücksichtslosigkeit über jede Grenzrespektierung hinweggesetzt haben. Heute schon muss in aller Bestimmtheit festgehalten werden, dass die Verletzungen in Basel bei klarem und sichtigem Wetter erfolgten, das der Erdbeobachtung es ermöglichte, die Fremden Staffeln zu beobachten. Diese konnten sich also ihrerseits orientieren, wo sie sich befanden, falls ihnen überhaupt daran gelegen war und die nicht einfach nach der Maxime handelten, es sei besser die Bomben irgendwo abzuwerfen, als gar nicht. Dass nicht nur die Grenzstadt Basel, sondern auch Zürich getroffen worden ist, beweist was für bedrohliche Formen nachgerade ein sich gegen unser Land entwickeltes Luftpiratentum anzunehmen droht. Mehr zu sagen wird möglich sein, sobald einmal die amtliche Untersuchungsergebnisse über die Herkunft der Untersuchungsergebnisse über die Herkunft der Bomber abgeschlossen und bekannt sein werden.

Der Tag danach 

Tag darauf war man sich sicher, dass der Angriff nicht rein zufällig geschah, sondern eine geziehlte Aktion gegen Basel und dessen Infrastruktur war. Aus dem angrenzenden Baselbiet wurden keine Schäden gemeldet, jedoch wurden in den Medien die Baselbieter zur Hilfeleitung der Basler Bürger und Solidarität aufgefortert. 

In der Zwischenzeit waren auch für 30 Mieter, dessen Wohnungen unbewohnbar waren entweder bei Verwandten untergebracht worden oder aber Kriegsschädenfürsorge brachte diese anderweitig vorübergehend unter. Zu den erwähnten zwei Blindgängern auf dem Wolfbahnhof kamen im Laufe des Montags weitere vier dazu, die geborgen werden mussten. Allesamt rund 250kg schwer. Diese wurden am darauffolgenden Mittwoch im Bettinger Steinbruch kontrolliert zur Explolsion gebracht. Dabei wurde festgestellt, dass die Sprengkraft um ein vielfaches grösser war, als jene 250kg schweren Bomben, als jene die fast an selber Stelle 1940 abgeworfen wurden. Fünf der Blindgänger waren aus amerikanischer, eine aus britischer Produktion. Da sich sämtliche Blindgänger bis zu 1.5 Meter tierf in die Erde gebohrt hatten, mussten grosse Mengen an Erde abgetragen werden um an die Bodenstücke der Bomben zu gelangen, um diese zu entschärfen. 

Viele Bewohner Basles durften eine unruhige Nacht verbracht haben, als in der Nacht vom Sonntag auf den Montag wiederum starker Kanonendonner aus dem Elass zu vernehmen war. 

Der Zugverkehr zwischen Basel und Delsberg konnte am Montagmorgen gegen 10 Uhr wieder aufgenommen werden. Es sollte 3 Wochen dauern, bis die Schäden an den Geleisen behoben worden waren und weitere drei Monate, bis sämtiche Bombenschäden auf dem Bahnarel repariert werden konnten. Der Güterverkehr wurde über den Rangierbahnhof Muttenz umgeleitet und konnte aufrechterhalten werden. Die Juralinie wurde einspurig geführt, bis die grosse Stützmauer beim Wolfgottesacker repariert werden konnte. Dabei kam es zu Zugverspätungen. 

Um die vielen Fenster zu reparieren wurden über 1'000m2 Fensterglas benötigt. 

Verletzte

In der chirurgischen Poliklinik wurden 8 Leichtverletzte eingeliefert, welche allesamt nach ihrer Behandlung wieder entlassen werden konnten. Die 7 ins Bürgerspital eingelieferten Verletzten verbblieben mehrere Tage in Spitalpflege. Es war zwar niemand Lebensgefählirch verletzt worden, aber wurde mit Komplikationen gerechnet, weitere Aufenthalte möglich machen würden. Dazu zählte auch die 70 jährige Dame, die sich einen Beinruch zugezogen hatte und ein Herr, welcher sich den Ellenborgen durch einen herumfliegenden Splitter gebrochen hatte. Neben dem Jungen mit dem verletzten Auge, welcher in die Augenheilanstalt eingeliefert wurde, wurde ein weitere Junge mit einem Splitter im Bein noch in Spitalpflege.

Ausschnitt aus der Film Wochenschau vom 5. März 1945
Schweizer Filmwochenschau (SFW) ©Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft
 

Tags darauf zeigte sich auf dem Wolfbahnhof das ganze Ausmass der Zerstörung. Insgesamt wurden 70 Eisenbahnwagen zerstört. Robert Lanz arbeitete 1945 als Bahnmitarbeiter und hat mit seiner Kamera die folgenden Bilder aufgenommen.

Bombenschäden Güterbahnhof Basel_1 Bombenschäden Güterbahnhof Basel_5 

Bombenschäden Güterbahnhof Basel_16  Bombenschäden Güterbahnhof Basel_23 

 Bombenschäden Güterbahnhof Basel_22Bombenschäden Güterbahnhof Basel_26

Bombenschäden Güterbahnhof Basel_23

Schäden an den Bahnwagen und Infrastruktur des Wolfbahnhofes Basel - Fotograf Robert Lanz

Bombenschäden Wolfbahnhof _2

Aufräumarbeiten auf dem Wolfbahnhof Basel -  Fotograf Robert Lanz - koloriert Patrick Schlenker

Bombenschäden Wolfbahnhof _5

Wucht der Detonation der Brisanzbomben - Fotograf Robert Lanz - koloriert Patrick Schlenker

Güterbahnhof_1

Weggeschleuderte Eisenbahnachse - Fotograf Robert Lanz - koloriert Patrick Schlenker

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 Erinnerungsfoto Wolfbahnhof Basel - zur Seite geschleuderter Banhwagen - Fotograf Robert Lanz - koloriert Patrick Schlenker

Bomben auf Basel_1

Ausmass der Zerstörung des Lagerhauses auf dem Wolf - Fotograf Jeck Basel - Koloriert Patrick Schlenker

Luftaufnahme des Güterbahnhof Wolf der Schweizer Luftwaffe einige Tage nach dem Angriff

Luftaufnahme des Wolf Bahnhofes, einige Tage nach dem Bombardement. Viele zerstörte Güterwagen wurden schon weggeräumt. Bildquelle Luftbilder der Schweiz © VBS

Bundesrat

Am Mittwoch, den 6. März lies sich der Bundesrat an seiner Sitzung durch die zuständigen Behörden über die Schäden in Basel und Zürich informieren. Der Bundesrat gab zu Protokol, dass man befremdet sei, dass sich derartige Vorfälle der Neutralitätsverletzungen trotz vorhergegangenen Protesten und Zusicherungen von Seiten der betroffenen Regierungen trotzem wiederholt hatten. Das politische Departement wurde beauftragt gegen die neuen Neutralitätsverletzungen entschieden Protest zu erheben und neuerdings auch mit Nachdruck die Anordnung durchgreifender Massnahmen zu verlangen, damit die Wiederholung ähnlicher Zwischenfäle und Überfälle auf die neutrale Schweiz unwiederuflich beendet werde. Der Protest werde nach den rücksichtlosen und brutalen Vorfällen am vom 4. März 1945 jedoch wesentlich härter ausfallen als in der Vergangenheit. Es wurde weiter erklärt, dass man auch weiterhin keine Überflüge über das neutrale Gebiet dulde und mit scharfen Protesten bei den Regierungen protestiere. 
Die USA müsse endlich Tatbeweise für ihren so vielfach beteurten Willen liefern, die elementaren Gebote der Rechtichkeit und Menschlichkeit gegenüber der Schweiz zu erfüllen. Die Zusicherung, dass dies getan werde wurde schon oft wiederholt. Der Bundesrat erwarte nun endlich aus tiefster Not und mit der Überzeugung des Rechtsstandpunktes, dass die  militärischen Bomberkommandos sich so verhalten werden, das es den Forderungen des völkerrechtes nachkommt, und die Pioten strikte und wirksam über die geographische Lages der Schweiz zu orientieren. 
 
Nach der Sitzung wurden Kondolenztelegramme nach Basel und Zürich senden.
 

Rückflug der B-24

Nach dem Abwurf ihrer Bomben kehrten die Bomber der 466th BG zu ihrer Basis in England zurück. Um 12.20 Uhr überflog die Gruppe um First Lieutenant Ivan Wright Ostend und um 13.30 Uhr die britische Kanalküste. Um 13.28 Uhr landeten alle B-24 nach 7 Stunden und 15 Minuten Flug sicher auf dem Airfield in Attlebridge.
Auf dem Anflug wurden die Besatzungen schon über den Vorfall informiert und angewiesen, nach der Landung bei ihren Bombern zu bleiben, bis sie abgeholt würden. Es folgten zahlreiche Verhöre aller Besatzungsmitglieder. Den Untersuchungsoffizieren war es sehr wichtig, die letzten Minuten vor dem Angriff rekonstruieren zu können.

Folgen

Nach den Abwürfen auf Basel und Zürich schickte Eisenhower General Spaatz in die Schweiz. Der Stabschef fühlte sich zweifellos persönlich verantwortlich. Es gab keine Möglichkeit ein weiteres mal "Entschuldigung" zu sagen. Die Reparationskosten stiegen stetig und wichtige Verhandlungen wurden gefährdet. Harrison, Spaatz und sein Stabschef, Brigadegeneral Edward P. Curtis, trafen sich am nächsten Morgen mit dem Schweizer Aussenminister Max Petitpierre, dem Kriegsminister Karl Kobelt sowie General Guisan und Oberstdivisionär Rihner. Nach der offiziellen Entschuldigung von General Curtis in fliessendem Französisch las Kriegsminister Kobelt die vorbereitete Erklärung, in der alle Luftraumverletzungen seit dem 1. April 1944 aufgeführt waren, und forderte unverblümt die volle Entschädigung und Wiedergutmachung.
 
Die Situation war mehr als nur schwierig. Spaatz drückte abermals sein tiefstes Bedauern aus und erklärte die Navigations- und Wetterprobleme der amerikanischer Besatzungen. Er versicherte, ein weiteres mal, dass vor allem seit der Bombardierung von Schaffhausen grosse Anstrengungen unternommen worden seien um eine Wiederholung der Ereignisse zu vermeiden. Spaatz schlug auch eine neue Vereinbarungen vor, die er mit der Schweizer Gesandtschaft ausführlich erörtern würde.
 
Eines war Spaatz und Eisenhower bewusst. Sie konnten nicht mit denselben müden Aussagen über Navigationsprobleme, Wetter, getroffenen Vorsichtsmassnahmen und eine positive Identifizierung innerhalb von 50 Meilen von der Grenze zur Schweiz in Bern vorsprechen, wie dies zuletzt am 25. Februar 1945 mit der Schweiz abgemacht wurde. Weder die positive Identifizierung noch die 50-Meilen-Grenze hatte am 4. März 1945 funktioniert. Auch wenn die während des Krieges entwickelten Navigationshilfen eine grosse Verbesserung gegenüber der reinen Berechnung mit visueller Sichtung der ersten Kriegsmonate darstellte, waren diese technischen Errungenschaften nicht immer fehlerfrei. In Anbetracht der grossen Mengen an Flugbewegungen und täglichen Bombardement von mehreren hundert bis tausenden Bombern der RAF und US Air Force, durften die effektiven Abwürfe auf Schweizer Gebiet im Promille Bereich gelegen haben. Wenn man vor allem bedenkt, dass viele Piloten vor allem bei schlechtem Wetter kaum wussten, wo sie genau waren.
 
Da man auf US Seite eine angebliche pro-deutsche Neigungen von Bundespräsidenten und Bundesrat (Eidgenössisches Militärdepartement) Karl Kobelt vermutete, hatte sie Angst davor, dass durch eine undichte Stelle die Deutschen die bombenfreien Zonen ausnutzen könnten. So wollte Spaatz seinen Vorschlag nur den Schweizer Militärs vorstellen. Spaatz neuer Vorschlag sah vor, die positive Identifizierung von Zielen auf 150-Meilen zu erweitern. Zudem mussten Innerhalb von 50 Meilen um die Schweiz keine Ziele jeglicher Art, insbesondere Gelegenheits-Ziele, auch bei perfekter Sicht ohne Spaatz "persönliche Genehmigung" bombardiert werden. Zudem war es ab sofort verboten innerhalb von zehn Meilen um die Schweiz ein Ziel anzugreifen, und sie mussten ein Ziel in einer Zone, die sich 10 bis 50 Meilen von der Grenze entfernt erstreckt, eindeutig identifizieren. Das Papier sah vor, sollte es aus militärischen Gründen notwendig sein doch ein Ziel in diesem Gebiet anzugreifen, würde die Mission nur von sehr erfahrenen Besatzungen ausgeführt. Die Vereinbarung galt ab sofort und betraf die gesamte 8th US Air Force und für die meisten der 15th, welche von Italien aus operierte.
 
Communique Swiss Goverment_1
Ins Englisch übersetztes Communique der Schweiz nach General Spaatz Besuch am 8. März 1945 - Quelle Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft
 
Bei einem Grenzabstand von fast 250 km war ein grosser Teil Deutschlands, indem noch gekämpft wurde durch die neuen Beschränkungen in irgendeiner Form geschützt. Aber der Stand der Kämpfe im März 1945 und der daraus folgende Verlauf des Krieges erlaubte dies. Die neuen Vorgaben, verbunden mit dem raschen Zusammenbruch des Reiches beendeten die Bombardierung. In der Folge kam es nur noch zu zwei kleineren geringfügigen Zwischenfällen bis zum Kriegsende. In der Folge beantragte der Schweizer Generalstab beim Bundesrat die Flab Regiment., welche zum Neutralitätsschutz eingesetzt wurden, abzuziehen.
 
Die Reparationsverhandlungen für die entstandenen Schäden in der Schweiz gingen nur langsam voran. Ein Grund war die Schweizer Anfrage nach amerikanischen P-51 Mustang-Kampfflugzeugen. Der Hauptgrund waren aber die Komplikationen bei der Verantwortung der Grenzverstösse. Für die Schweiz war das ganze eine Grundsatzfrage. Die USA waren aber der Meinung, dass eine erneute Untersuchung ungelöster Fälle nicht praktikabel und nicht zielführend war. Zudem war das mit diesen Vorfällen befasste Hauptquartier schon aufgelöst und seine Aufzeichnungen zerstört worden.
 
Erst am 21. Oktober 1949 konnte sich das US Aussenministerium und die Schweizer Regierung auf die Zahlung von 62'176'33,06 Schweizer Franken inkl. Zinsen einigen. Damit sollten vollständig und endgültig sämtliche Schäden an Personen und Eigentum in der Schweiz, verursacht durch die Streitkräften der Vereinigten Staaten während des Zweiten Weltkriegs beglichen sein. Zuvor wurde schon 4 Millionen Franken als Entschädigung ausbezahlt.
 
Ein anders wichtiges Anliegen der Schweiz war, dass die beteiligten Piloten zur Verantwortung gezogen würden. Für die geringfügigen Luftraumverletzungen und Fälle von zusammengeschossenen Bombern, die in die Schweiz flüchteten und dort noch ihre Bomben abwarfen, hatte man Verständnis. Im Fall der Bombardierung von Zürich nicht. Die Stadt befand sich nicht nur an einem leicht erkennbaren Wahrzeichen, dem Zürichsee, sondern stellte auch die tiefste Durchdringung des Schweizer Luftraumes dar, die während des ganzen Krieges Bomber angriffen. Bei der Grenzstadt Basel am Rhein war man von Schweizer Seite eher davon ausgegangen, dass diese nach 1940 ein weiteres mal getroffen wird. Aber bei Zürich war das nicht der Fall. Das US Aussenministerium musste nachweisen, dass die Angelegenheit vollständig untersucht und die betroffenen Personen zur Verantwortung gezogen worden waren.
 
Folgend wurden nach einer ersten Untersuchung durch die 2. US-Luftwaffe zwei amerikanische Offiziere wegen Verstosses gegen den 96. Kriegsartikel angeklagt.
 
Leutnant William R. Sincock, der Führungs-Pilot der Formation und sein Navigator an Bord, Leutnant Theodore Q. Balides, wurden beschuldigt, "zu Unrecht und fahrlässig Bomben auf freundschaftliches Gebiet abgeworfen zu haben". Leutnant Theodore Q. Balides wurde hauptsächlich für den Navigationsfehler verantwortlich gemacht, auf den Sincock seine unglückliche Auswahl eines Ziels gestützt hatte. Beide hatten damit ein ernsthaftes Problem. Der Vorsitzende des am 1. Juni 1945 zusammengekommenen Kriegsgerichts war kein anderer als Major James Stewart, der berühmte Schauspieler. Stewarts Ernennung hatte nichts mit seiner Berühmtheit zu tun. 1945 war er Major (ab dem 29. März 1945 Colonel) der 8th US Air Force und selbst ein erfahrener Bomberpilot auf den B-24 der 2. Air Division mit zahlreichen Kampfeinsätzen über Deutschland.
 
Er selbst hatte das Chaos und Gemetzel des Luftkriegs miterlebt. Die Neutralitätsverletzung der beiden Flieger beruhte auf der Frage der Fahrlässigkeit, nämlich dass sie nicht alle angemessenen Schritte unternommen hatten, um sicherzustellen, dass das von ihnen identifizierte Ziel tatsächlich deutsch war. Dabei wurde das ganze Ausmass der Probleme des 4. Märzes 1945 komplett aufgerollt. Die Verteidigung zeigte auf, dass die Missionsparameter an diesem Tag fast unmittelbar nach dem Start auseinandergefallen sind. Die unterstützenden Geräte wie das GEE und GEE-H, wie auch das H2X, hatte bei einigen Führungs-Bombern versagt. Das schlechte Wetter über dem zugewiesenen Versammlungsbereich bei Paris zwang die Formation schon früh zur Zerstreuung. Was zur Folge hatte, dass jede fragmentierte Gruppe von B-24 Bombern nach Gelegenheitszielen suchen sollte. Die Verteidigung bestritt nicht die Anklage der Staatsanwaltschaft, Sincock habe einen Bombenangriff auf Zürich geführt, bot jedoch zwingende Gründe, warum das Gericht den Vorfall als tragische, aber absolut unbeabsichtigte Handlung ansehen sollte. Nachdem die operativen Probleme aufgezeigt und bestätigt waren, wurden Sincock und Balides durch ein einstimmiges Urteil in allen Anklagepunkten freigesprochen. Der Angriff auf Zürich vom 4. März 1945 war während des Zweiten Weltkrieg der einzige Fall in dem amerikanische Soldaten wegen einer Handlung gegen die Neutralität eines anderen Landes offiziell strafrechtlich verfolgt wurden.
 
Lt. Ivan Wright und sein Navigator Edward C. Brown, des Führungsflugzeuges, welches für den Angriff auf Basel verantwortlich war,  entkamen einer Anklage. Nach ihrer Rückkehr am 4. März 1945 wurde ihre Bewegungsfreiheit innerhalb der Basis bis zur Klärung des Vorfalles beschränkt. Erst Mitte April kehrten beide in den Operativen Einsatz zurück. Gleiches galt für John Gerrity, den Piloten der "Damifino". Der Einsatz wäre sein letzter gewesen. Er musste bis zum Abschluss der Untersuchung auf dem Stützpunkt in England bleiben.
 

Örtlichkeiten 1945 / 2021

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Bahnhofsgelände unterhalb der Münchensteinerbrücke im März 1945 und Heute. Das alte Trasse ist noch gut zu erkennen

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Ehemals Engelgasse 115, heute Hirzbodenweg 124.

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Thiersteineralle im März 1945 und Heute. Die Gebäude Links stehen grösstenteils noch.

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Dort wo heute die BVB Werkstätten beim Wolfgottsacker stehen, stand im März 1945 das SBB Früchtehaus, welches stark beschädigt wurde. 

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Tellstrasse, Blick in Rüchtung Münchensteinerbrücke im März 1945 und Heute. Die damaligen Liegenschaften 17 und 19, in denen Feuer ausgebrochen waren, stehen heute noch. 

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Die Überreste der Liegenschaft Hochstrasse 101 wurden in einen Spielplatz umgestaltet.
 
Brandstabbomben_1
 
Relikte des 4. März 1945. 3 von 2000 INC 4 LB Stabbrandbomben, welche über Basel abgeworfen wurden. Die oberste hatte ursprünglich einen grünen Kopf (ganz Links) und die unterste einen roten. Grün bedeutete normale Brandstabbombe, rot eine mit Brisanzwirkung, welche über eine zusätzliche Expolsionswirkung verfügte.
 
B-17 Little Chub_4
 
Überreste der B-17 „Little Chub“ der 384th Bomb Group, 545th Squadron. Im Jahr 2000 wurden weitere Überreste der B-17 aus dem Greifensee begorgen und sind im B-17 Museum Utzenstorf ausgestellt - Fotoquelle B-17 Museum Utzenstorf https://www.b17museum.ch
 
 

Ihre Mithilfe

In den vergangenen Jahren sind durch meine Arbeiten und Recherchen zu anderen Ereignissen während des 2. Weltkrieges in und um Basel viele Fotos, Berichte und Erzähllungen an mich herangetragen worden. 

Besitzen Sie auch noch Fotos, Unterlagen oder haben Sie die Bombardierung selbst miterlebt, nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf. Ihre Geschichte(n) interessieren mich. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 
 
 
Danksagung:
 
Grosser Dank an die Historkier der 382nd Bomb Group Annette Tison und 466th Bomb Group Chris Brassfield, welche mich bei den Recherchen Grosszügig unterstützt haben.
 
 
Quellen:
 
 
 
A History of the bombing of basle by R.W. Pettersen. Navigator
 
 
Basellandschaftliche Zeitung März 1945
 
Basler Nachrichten März 1945
 
Basler Stadtbuch - Christoph Merian Stiftung
 
Basler Zeitung März 1945
 
Bericht der ständigen Feuerwache Basel – Schweizerisches Feuerwehrmuseum Basel
 
Bericht des Kommandanten der Flieger- und Fliegerabwehrtruppen über den Aktivdienst 1939 – 1945
 
Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft - Bundesarchiv
 
Die Hauswehren und ihr Einsatz : mit Bildern aus dem neuen Hauswehrfilm der Abt. für Luftschutz 
 
Duell der Flieger und der Diplomaten – Ernst Wetter
 
Protar - Schweizerische Zeitschrift für Luftschutz 1945
 
Staatsarchiv Basel-Stadt
 
Schweizerisches Bundesarchiv
 
Tagebücher 1939 – 1945 Gertrud Löw-Allemann
 
The American Air Museum in Britain
 
U.S. Bombings of Switzerland during World War II by Dr. Jonathan E. Helmreich - Published Aerospace Power Journal - Summer 2000 The National Archive
 
 

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